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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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auf den Ellenbogen, und sein Gesicht kam dem ihren
näher…
Robina schloss die Augen.
Wie vordem der Windhauch, ertasteten seine Lippen ihren
Mund, verhielten.
Augenblicke genoss Robina die unendlich zarte Berührung,
dachte zu ihrem Herz, das verlangend pochte, und ließ sich in
eine Woge längst vergessen geglaubten Glücksgefühls
eintauchen. Sie schlang die Arme um den Mann, öffnete leicht
den Mund und verschmolz ihn drängend mit dem seinen. Ihr
bebender Körper bäumte sich Andras entgegen…
Tokaier floss aus dem umgefallenen Glas, die Decke sog ihn
gierig auf; ein Marienkäfer ergriff die Flucht. –
Später lagen sie schweigend, entspannt. Andras hielt Robinas
Hand.
    Federwölkchen setzten Wanderbäusche ins Blaue, radierten
Robinas Wunsch, es möge Stillstand sein.
Zwei Stunden mochten vergangen sein, als ein Brummen
aufkam, leise, zunehmend lauter werdend.
Andras richtete sich auf, Robina folgte. „Ein Motorboot? Ein
Betrieb ist das heute…“, scherzte er, stand auf, zog Robina mit
empor und einen Augenblick zärtlich an sich. Dann schritten
sie Hand in Hand, nackt, zum Flussarm, von dem das Geräusch
nun laut herüber schallte.
Sie standen am Ufer und winkten vier jungen Leuten zu, zwei
Frauen, zwei Männer, die in einem schnittigen Boot auf der
linken Flussseite stromabwärts rasten. Sie schwenkten die
Arme, riefen Unverständliches und lachten.
Dann schwappten kleine Wellen ans Ufer, benetzten den
beiden Menschen, die noch in die Richtung blickten, in der das
Boot verschwand, die Füße.
„Du musst zurück, Andras“, sagte Robina. „Du siehst, es lebt
wieder.“ Und nicht nur an die lachenden jungen Leute im Boot
dachte sie dabei, sondern an die vergangenen letzten Stunden,
in denen sie so deutlich gespürt hatte, dass auch sie lebte! –
6
    Robina befand sich auf der Elisabethbrücke mitten über der
Donau, als Birne, auf dem sie ihrer wohligen Müdigkeit wegen
ritt, stehen blieb.
    Nicht wie auf einem Metallklotz, sondern wie auf einer
Wolke war sie sich vorgekommen, seit sie die Insel, Andras,
verlassen hatte. Sie sann dem Erlebten nach, immer wieder
kehrten ihre Gedanken dorthin zurück, alles andere an diesem
warmen Spätnachmittag, der Fluss, die Stadt drüben, die
Anlagen, durch die sie am Fuße des Burgberges in Birnes
gemächlichem Trott ritt, all das glitt, schwebte gleichsam an
ihr vorbei, als sei es eine andere, sie nicht berührende Welt.
    Jäh stürzte sie in die Wirklichkeit, als Birne anordnete: „Steig
ab!“
Ein wenig taumelig ließ sie sich auf den Gehweg gleiten, und
kaum hatte sie diesen mit beiden Füßen berührt, rauschte Birne
in der eingeschlagenen Richtung davon, in einer Weise, wie sie
es an ihm all die Jahre nicht gesehen hatte. Sie fühlte sich
überrumpelt und außerstande, ihm hinterher zu rufen. Bevor
sie sich gefasst hatte, verschwand er am Ende der Brücke.
„Was, in aller Welt, ist in Birne gefahren!“ Robina sagte es
besorgt laut, ihre Müdigkeit verflog, und sie setzte, immer
schneller werdend, dem Roboter nach.
Als sie von der Brücke kommend zum Rastplatz einbog,
bemerkte sie von weitem, dass sich am Gespann offenbar
Merkwürdiges tat.
Obgleich erschöpft, eilte sie hinzu, blieb atemlos überrascht
stehen und hätte beinahe hell aufgelacht.
In seinen beiden großen Manipulatoren hielt Birne etwa in
Hüfthöhe zwei junge Männer umklammert, die mit Armen und
Beinen heftig zappelten, um sich schlugen und grässlich
schimpften, ohne auch nur das Geringste ausrichten zu können.
Auf dem Boden lagen Gasbehälter, die, Robina überzeugte
sich mit einem Blick, auf dem Dach der Limousine fehlten.
Hinter der Bank, auf der Robina den Vorabend genossen
hatte, kauerten mit furchtverzerrten Gesichtern zwei junge
Frauen.
Robina sah ahnungsvoll zum Fluss hinunter. In der Tat lag
dort das Boot, das am Nachmittag mit den fröhlichen jungen
Leuten an der Margareteninsel vorbeisauste.
„Kann ich euch helfen?“, fragte Robina ironisch. Die
unlauteren Absichten der Gruppe lagen auf der Hand.
„Gehört das Monster zu dir?“, schrie der eine mit sich
überschlagender Stimme. „Pfeif es zurück, es zerquetscht mir
das Bein.“
„Ja, der Roboter gehört zu mir“, antworte Robina ungerührt.
Ihr Atem beruhigte sich. „Und das Auto, der Caravan und das
Gas auch.“ Anstalten, die beiden zu befreien, machte sie nicht.
„Kommt her!“, wies sie mit einer Handbewegung die beiden
Frauen barsch an. „Und ihr…“, zu den Männern gewandt,
„haltet’s
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