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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock
Autoren: T.C. Boyle
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brachte ein knappes Winken in Richtung von Miss Ianucci zustande, Dr. Cowles’ Tippse. Miss Ianucci war eine Spaghettifresserin aus Italien, die nie eine genügend weite Bluse fand, um ihre beiden Apparate unterzubringen, sich ständig die Lippen leckte und die Beine mal in die eine, mal in die andere Richtung übereinanderschlug, sobald O’Kane die Gelegenheit für ein kleines Schwätzchen mit ihr fand – was im Grunde jedesmal war, wenn er bei ihr vorbeikam, außer es brannte irgendwo. Dauernd meckerten die Leute über die Einwanderer – mal über die Itaker, mal über die Polacken, über Knoblauchfresser und böhmische Bauerntrottel, und ausgerechnet sein Vater schimpfte am lautesten und heftigsten, dabei war es noch keine dreißig Jahre her, daß er selber in einem leeren Whiskeyfaß auf einem Transatlantikdampfer herübergemacht hatte –, aber wenn’s nach O’Kane gegangen wäre, konnten sie so viele Miss Ianuccis hereinlassen, wie sie wollten. Und wäre das nicht ein toller Job, am Ende der Gangway zu stehen und über jede einzelne zu urteilen? Nix da, die könnt ihr gleich wieder heimschicken – ist ja flach wie’n Bügelbrett. Die da? Na schön, nehmen wir sie. Kommen Sie doch mal rüber, Miss, hierherein bitte, in den Untersuchungsraum... Ein Mann könnte so eine ganze Rasse erschaffen, eine neue Züchtung, deren Hauptmerkmal die Titten wären – oder die Hüften oder lange Beine oder Stupsnasen oder schön anliegende Ohren. Bei den Hunden hatte es doch auch geklappt...
    Jedenfalls mußte er sich diesmal mit einem Winken begnügen, weil ihm klar war, wie wichtig diese Besprechung für Dr. Hamilton war – und für ihn auch, für ihn und Rosaleen –, also hastete er weiter den Gang entlang, während Miss Ianucci sich einen Finger in den Mundwinkel schob und daran lutschte, die Beine mal dahin, mal dorthin übereinanderschlug und ihm das breiteste Lächeln der Welt schenkte. Vorbei an zwei Türen, an drei, und er mußte schwer an sich halten, um nicht zu rennen. Im Vorbeieilen sah er zum Porträt von John McLean auf, diesem ausgesprochen ernsten Philanthropen mit der Perücke auf dem Kopf, der im Jahr 1818 mit hunderttausend Dollar dafür gesorgt hatte, daß diese erhabene Anstalt eröffnet werden konnte, und obwohl er spät dran war, obwohl er wie ein Stück Dreck aussah, obwohl sich der Geruch von Angst und Hoffnung mit dem des Schweißes vermischte, der ihm herunterlief, als wäre es Mitte Juli und er würde die versammelte Familie McCormick einschließlich der Affen auf seinen Schultern einen Berg hinauftragen, ging ihm doch die Frage durch den Kopf, wenn auch nur den allerflüchtigsten Augenblick lang, was er selbst mit hunderttausend Dollar anfangen könnte – bestimmt würde er sie keinem karitativen Verein stiften, das stand mal fest, außer dem Edward-James-O’Kane-Wohltätigkeits-und-Treuhandfonds. Aber genug davon. Auf einmal war er da, am Ende des Gangs, es war drei nach elf, er atmete schwer und schwitzte, war völlig durchnäßt und klopfte mit gehetztem Blick ehrerbietig an das glatte lackierte Holz von Dr. Hamiltons Tür.
    Von drinnen hörte er eine geraunte Unterhaltung, und sofort sank ihm der Mut. Genau das hatte er befürchtet, seitdem er von zu Hause aufgebrochen war in den dunklen eitrigen Schlund des Morgengrauens, er hatte es geahnt, während er Bettpfannen ausleerte und stocksteife Verrückte und einfache Schwachsinnige aus den Betten und von den vergitterten Fenstern zerrte: daß sie schon dasein würde. Was hieß, daß er sich verspätet hatte. Ganz offiziell. Er verfluchte sich selbst und klopfte erneut, diesmal ein wenig energischer, und fühlte sich noch mieser, als das Gemurmel nun abrupt verstummte, als hätte er sich in etwas eingemischt. Es herrschte jetzt eine qualvolle Stille, in der ihm der wahnwitzige Gedanke durch den Kopf schoß, sie könnten gerade verabreden, ganz auf ihn zu verzichten, dann hörte er Dr. Hamilton leise sagen: »Das muß er wohl sein«, und der letzte Rest von Gefaßtheit, den er eventuell noch aufgebracht hätte, verflog im selben Moment. »Herein«, rief der Arzt, und O’Kane spürte, wie er errötete, während er die Tür aufstieß und das Zimmer betrat.
    Als erstes fiel ihm das Feuer auf – ein gewaltiges, verschwenderisches, knisterndes Lodern, das auf den getäfelten Wänden spielte und einen sanften Schein auf des Doktors Sammlung von Wachsmodellen des menschlichen Gehirns warf, das erste Feuer, das O’Kane in diesem Kamin je
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