Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
er bei seinen Schützlingen anschlug, »ist Mr. McCormick. Je eher wir den Patienten verlegen und ihn auf eine ihm gemäße Weise in Kalifornien unterbringen, desto besser ist es für alle Beteiligten. Vor allem für den Patienten. Was er jetzt in erster Linie braucht, das ist eine ruhige Umgebung, ohne die belastenden Bedingungen, die zu seiner Blockierung geführt haben. Nur so können wir hoffen...« Er brach den Satz ab. Mrs. McCormick hatte sich geräuspert – das war alles: nur ein Räuspern –, und er hielt abrupt inne.
    Dr. Hamilton – Dr. Gilbert Van Tassel Hamilton, der zukünftige Autor von Sex in der Ehe wie auch einer Studie über die sexuellen Neigungen der Affen, speziell der Paviane – war damals ein junger Mann, gerade einunddreißig, aber er hatte einen gepflegten Spitzbart und kämmte sich das mausgraue Haar streng nach hinten, um so ein paar Jahre älter auszusehen. Er trug das gleiche Pincenez mit Metallfassung wie Präsident Roosevelt und kleidete sich immer äußerst sorgfältig in aschfarbene Anzüge mit Weste und einer Krawatte von derart unergründlichem Blau, daß sie genausogut schwarz hätte sein können, so als könnte jede Zurschaustellung von Farbe sein Pflichtgefühl und seine Zielstrebigkeit unterminieren. (»Grelle Kleidung unbedingt vermeiden«, hatte er O’Kane gleich am Tag seiner Einstellung ermahnt, »weil sie die Katatoniker erregt und die Paranoiker nervös macht.«) Trotz seiner Jugend war er ein Fels der Beständigkeit, bis auf einen irritierenden kleinen Tic, dessen er sich selbst vermutlich gar nicht bewußt war: etwa alle dreißig Sekunden rutschten seine Augäpfel nach oben und verschwanden in einem so plötzlichen Spasmus hinter dem oberen Lid, daß es einem vorkam, als sähe man einem Spielautomaten bei der letzten Umdrehung der Walze zu. Natürlich wurde dieser Tic noch auffälliger, sobald er nervös oder gestreßt war. Als er jetzt Mrs. McCormick erwartungsvoll musterte, begannen seine Pupillen als Vorspiel zittrig zu tänzeln.
    Auch O’Kane musterte sie. Er konnte nicht anders, als sie anzusehen, solange dies nicht unmittelbaren Blickkontakt bedeutete. Sie war faszinierend, ein echtes Studienobjekt, die Sorte Frau, die man sonst nur ganz flüchtig zu Gesicht bekam – als Silhouette hinter der Windschutzscheibe des langen, geschwungenen Wunders eines Packard-Automobils, als forsch kommandierende Gestalt inmitten von Türstehern und Gepäckträgern, als Porträtphotographie in einem Buch –, und wie hätte er sie auch nicht mit seiner Rosaleen vergleichen können? Wie sie da auf dem äußersten Rand des Sofas saß, in einer Pose wie aus dem Mädchenpensionat, das Grübchenkinn in die Höhe gereckt wie eine Wetterfahne, in dem Kleid aus blauem seidigem Material, das wahrscheinlich mehr kostete, als er in einem halben Jahr verdiente, war sie wie eine Außerirdische, wie die strahlende Vertreterin einer neuen, überlegenen Spezies, wenn da nicht eines wäre: ihr Mann war verrückt, genauso verrückt wie der Schürzenmann oder Katzakis, der Grieche, oder sonst einer von denen, und weder gute Manieren noch alles Geld der Welt konnten daran etwas ändern.
    »Was diese Affen angeht...« begann sie, und O’Kane bemerkte, daß sie damit zum erstenmal das Wort ergriff, seitdem er den Raum betreten hatte.
    Hamiltons Stimme wurde zu einem Nichts, zu einem geflüsterten Flüstern. »Ja?« hauchte er und lehnte sich gegen die Schreibtischkante, das ganze Gewicht lässig auf die linke Hinterbacke gestützt – der behandelnde Arzt in seinem Zimmer, kein Problem, nicht im geringsten. »Was ist mit ihnen? Falls Sie daran irgend etwas...«
    »Sie sind notwendig, nicht wahr – Ihrer Einschätzung nach, Dr. Hamilton? Ich verstehe schon: um einen so vielversprechenden jungen Psychologen wie Sie an die Westküste zu locken, der dadurch seine Familie entwurzelt und seine Patienten hier am McLean aufgibt, bedarf es eines gewissen Quidproquo« – sie hob den Zeigefinger, um ihn zur Ruhe zu mahnen, da er vom Schreibtisch aufgesprungen war und sein Mund bereits im Nest seines Bartes zu arbeiten begann – »und dazu gehört wohl auch Ihr Hominidenlabor, zusätzlich zu Ihren Gehaltsforderungen, Übersiedlungszuschüssen und so weiter... aber besteht denn wirklich Hoffnung, daß diese Affen etwas zu Stanleys Heilung beitragen werden?«
    Das war Hamiltons Stichwort, und fast ohne Augenrollen begann er eine Ansprache, die einem Trommler zur Ehre gereicht hätte. Er gab keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher