Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
Vom Netzwerk:
tät, wär’s später saumäßig langweilig im richtigen Paradies, oder?«
    »Eben.«
    Rita wunderte sich schon lange nicht mehr über Herrn Frickers doch etwas eigenwillige geistige Erdbewegungen in Sachen Logik.
    »Ich frage mich nur, wie das mit der Kiesgrube weitergehen soll.«
    »Das wird schon wieder.«
    »Bitte?«
    »Die Frau Zwerger, das ist die T ochter vom alten Poschedsrieder, die lässt sich da nicht verscheuchen. Die macht das alleinigs weiter, wenn der Zwerger weg ist. Das glaubst auch bloß du, dass die sich die Kiesgrube wegnehmen lassen tät. Die hat selber auch noch ein paar Grundstücke, da weiß der Zwerger gar nichts davon.«
    »Aber du weißt es.«
    »Von meiner Mutter. Die hat’s ganz dick g’habt mit dem alten Poschedsrieder.«
    Rita nickte.
    »Wie die Menschen eben sind auf dem Dorf. Das kenne ich. Scheußlich.«
    Ewald sah stumm aufs Meer hinaus, ein paar Minuten lang, als habe man einen Schalter umgelegt. Rita überlegte, ob sie irgendetwas Falsches gesagt haben könnte.
    Ewald sprach ganz leise, ohne den Blick vom Meer zu lösen.
    »Irgendwann muss jeder einmal heim. W eil sonst wird man blöd wie der Lastwagenfahrer.«
    Rita wusste nicht, was sie darauf sagen sollte.
    »Schon komisch mit dir: Da tauchst du da im A llgäu auf, alle mögen’s dich, der Bene ist total verrückt nach dir, dann die halbseidene Sache mit dem Zwerger, aber keiner im Dorf weiß, wo du herkommst und wo du hingehörst.«
    »Das weiß ich selber nicht.«
    »Irgendwo ist jeder Mensch daheim. Jeder hat irgendeinen Marktplatz-Fleck auf der Seele. Kenn keinen, der’s nicht hätt.«
    Jetzt schwieg auch Rita eine W eile lang.
    Doch dann fasste sie sich ein Herz und erzählte Ewald die ganze Geschichte vom Gutshaus in Pervenitz. Ritas V ater hatte es sich zum Lebensziel gemacht, die 600 qm große Ruine ohne finanzielle Rücklagen in eine kulturelle Begegnungsstätte verwandeln zu wollen, ohne Rücksicht darauf, dabei sich und seine Familie gesundheitlich und emotional aufzuarbeiten. Die Mutter war schwermütig geworden im Laufe von zwanzig Jahren Schufterei am Rande des Existenzminimums, der Bruder hatte sich aufgehängt.
    »So was isch doch saumäßig blöd.«
    »Ja, ist es.«
    Der Seewind war eingeschlafen, das letzte Licht schimmerte noch am Horizont, da, wo man im Norden den Leuchtturm der kleinen Insel Ruden blinken sah. Ewald hielt Ritas Hand fest.
    »Und dann?«
    »Dann hab ich meinem V ater den Kram hingeschmissen und hab Guido geheiratet, einen Immobilienmakler aus Kassel.«
    »Mit weiße Kleider?«
    »Ja, mit weißen Kleidern, in Dänemark. Das Geld für die Reise hatte Guido sich heimlich von meiner Mutter geliehen. Und am A nfang war es wunderschön. A ber nach und nach waren Guidos Geschäfte immer halbseidener geworden, und er hatte den Beschiss mit den original dänischen Öko-Holzhäusern angefangen, die aus Rumänien kamen, wenn sie überhaupt geliefert wurden. Die Fotos hatte er sich aus dem Internet geklaut, die Zertifikate waren gefälscht. Mit seinem Siegerlächeln nahm er den Leuten immense V orauszahlungen ab, ließ drei wertlose Holzbalken auf Grundstücken abliefern, die ihm gar nicht gehörten, und meldete sich nicht mehr. Ich durfte dann die wütenden Öko-Häuschenkäufer beruhigen, in Dänemark seien die Kiefern ausgegangen.«
    »Das tut man doch nicht. Das kommt doch irgendwann alles raus!«
    Rita lachte kurz auf.
    »Dann habe ich mitgekriegt, dass mein schöner Guido mich betrogen hat. Beim ersten Mal hat’s noch weh getan. Irgendwann hab ich dann in stickigen Neubauwohnungen in Ebersberg oder Bietigheim-Bissingen gesessen, wütende ›Danske Öko-Huset‹-Kunden beruhigt, während Guido sich quer durch Deutschland mit frustrierten Damen aus Erotik-Chats ausgetobt hat, bis ihm der Schwanz geglüht hat.«
    Ewald hielt Ritas Hand, goss beiden noch einen Schluck W ein in die Pappbecher und hörte einfach zu.
    »Dann hab ich ihn rausgeschmissen, bin ins A llgäu abgehauen und hab dem Zwerger erst mal seinen Laden auf V ordermann gebracht. Den Rest kennst du ja.«
    »Trotzdem.«
    »Trotzdem was?«
    »Das macht man nicht, dass man da einfach nimmer hingeht zu seine Eltern.«
    »Das ist meine Sache. Ich bin ein für alle Mal fertig mit diesem verfluchten Gutshaus.«
    »Trotzdem.«
    »Das verstehst du nicht, Ewald.«
    »Meine Mutter isch auch ein Drachen. T rotzdem geh ich hin.«
    Rita sah ihn kopfschüttelnd an und spielte mit dem Gedanken, Ewald zu sagen, was sie von seiner Mutter hielt. Oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher