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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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1. Kapitel
    Am Nachmittag des fünfundzwanzigsten Tages im Mai trafen sie sich in Bruder Cadfaels Hütte im Herbarium, und das Gespräch drehte sich um wichtige Staatsangelegenheiten, um Könige und Kaiserinnen und um das wechselhafte Glück der beiden unversöhnlichen Konkurrenten um den Thron.
    »Nun, noch ist die Dame nicht gekrönt!« sagte Hugh Beringar so entschieden, als sähe er einen Weg, es zu verhindern.
    »Und sie ist noch nicht einmal in London«, stimmte Cadfael zu, während er behutsam in dem Topf herumrührte, der in die Glut seiner Kohlenpfanne eingebettet war. Das Gebräu durfte nicht an den Seiten hochkochen und anbrennen. »Sie kann erst gekrönt werden, wenn man sie nach Westm inster einläßt. Und damit hat man es, wie ich hörte, nicht besonders eilig.«
    »Wo die Sonne scheint«, versetzte Hugh traurig, »da sammeln sich die Frierenden. Meine Aufgabe jedoch, alter Freund, führt mich in den Schatten. Wenn Henry von Blois das Lager wechselt, dann folgen ihm die Männer wie im Gänsemarsch.
    Wenn er einen Schritt tut, gehen sie mit ihm und heften sich an seine Fersen.«
    »Nicht alle«, wandte Cadfael ein. Er lächelte einen Augenblick, während er sein Gebräu umrührte. »Ihr nicht. Und Ihr seid gewiß nicht der einzige.«
    »Gott verhüte!« sagte Hugh. Er mußte lachen und schüttelte seine trübselige Stimmung ab. Er hatte in der offenen Tür gestanden, wo die strahlende Frühlingssonne einen weichen, goldenen Schein über die Büsche und Beete des Kräutergartens warf. Die feuchte Mittagsluft war schwer von würzigen, üppigen Düften. Hugh trat ins Innere der Hütte, ließ sich auf die Bank an der hölzernen Rückwand fallen und setzte die Hacken seiner Stiefel weit gespreizt auf den Boden. Er war klein gewachsen, doch ebenmäßig gebaut. Seine kleine Statur und sein geringes Gewicht hatten schon manchen Mann getäuscht, und die meisten hatten es bereut.
    Das Sonnenlicht, das durch die Böen, die an den Büschen zerrten, etwas abgekühlt war, spiegelte sich in einer von Cadfaels bauchigen Glasflaschen und beleuchtete flackernd Hughs schmales, gebräuntes und sauber rasiertes Gesicht, den fein geschwungenen Mund, die beweglichen schwarzen Augenbrauen, die sich skeptisch heben konnten, und das kurz geschnittene schwarze Haar. Ein Gesicht, das zugleich beredt und undurchdringlich war. Bruder Cadfael war einer der wenigen Menschen, die darin zu lesen verstanden; nicht einmal Hughs Frau Aline vermochte es besser.
    Cadfael stand in seinem zweiundsechzigsten Jahr, während Hugh noch ein oder zwei Jahre an seinem dreißigsten Geburtstag fehlten, aber wenn die beiden in Cadfaels Hütte behaglich zwischen den Krautern beisammensaßen, fühlten sie sich wie Gleichaltrige.
    »Nein«, sagte Hugh vorsichtig, nachdem er die Umstände sorgfältig bedacht hatte, »nicht alle. Wir sind noch ein paar, und wir stehen nicht so schlecht da und können halten, was wir haben. Die Königin ist mit ihrer Armee in Kent, und Robert von Gloucester wird es kaum wagen, uns anzugreifen, solange sie sich so nahe im Süden von London aufhält. Und da uns die Waliser aus Gwynedd gegen den Grafen von ehester den Rücken freihalten, können wir unsere Grafschaft für König Stephen behaupten und die Zeit abwarten. Wenn sich das Glück einmal gewendet hat, dann kann es sich auch ein zweites Mal wenden. Und die Kaiserin ist noch nicht die Königin von England.«
    Trotzdem, dachte Cadfael, während er schweigend das Gebräu für Bruder Aylwins wunde Knie umrührte, es sah ganz danach aus, als würde sie es bald sein. Nach drei Jahren Bürgerkrieg zwischen Cousin und Cousine, die um die englische Krone kämpften, stritten die Parteien erbitterter denn je, und das Volk litt unter Unsicherheit, Plünderungen und Mord und Totschlag.
    Der Handwerker in der Stadt, der Pächter im Dorf, der Leibeigene auf dem Gutshof, sie alle würden sich von Herzen über einen Monarchen freuen, egal wer es war, der für Ruhe und Ordnung im Land sorgte, damit sie ihren bescheidenen Geschäften nachgehen konnten. Aber für einen Mann wie Hugh ging es um mehr. Er war König Stephens Lehnsmann und inzwischen Sheriff von Shropshire, und er hatte geschworen, die Grafschaft für seinen König zu verteidigen. Der König wurde in der Burg von Bristol gefangengehalten, seit er die Schlacht von Lincoln verloren hatte. Ein einziger Tag im Februar nur, und das Glück der beiden Thronanwärter hatte sich gewendet. Die Kaiserin Maud schwebte droben in den Wolken,
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