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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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dich, merkst du das nicht?«
    »Mich hat noch nie eine mögen!«
    »Kein W under, wenn du das Maul nicht aufbringst!«
    »Was soll einer schon reden, der eh bloß der Depp ist für alle?«
    »Und du meinst, ich mag Deppen?«
    Rita lachte laut auf, legte ihre Hand vorsichtig auf Ewalds A rm und hielt ihn fest.
    Leise fing Ewald an zu erzählen.
    »Ich weiß schon, dass ich kein Depp bin. Und jetzt, nach der Fahrt da rauf, erst recht. A ber es war halt immer das Einfachste, so zu tun, als wäre man der Depp, seitdem das passiert ist, damals …«
    »Seit was passiert ist?«
    Ewald sprach sehr leise, der W ind blies, aber Rita saugte jedes W ort in sich auf.
    »Einmal, beim Dorffest, ich hab Musik gemacht. Maria hat sie geheißen, die war aus ’m Nachbardorf. Und ich hab ihr was vorg’spielt, und dann haben wir geredet, und dann hat sie mich in den A rm genommen. Und dann sind wir halt in so einen Bauwagen nei, beim Zwerger in der Kiesgrub, weil bei mir daheim war ja mei’ Mutter, und ihr V ater, das war so ein zug’reistes A rschloch. Und dann hat sie mir in dem W agen drin was vorg’lesen, und ich hab g’spielt dazu. Und dann hamm wir uns … weißt schon … mit küssen und so …«
    Rita nickte.
    »Ja, ich weiß. Und dann?«
    »Aber dann war halt der Marktplatz-Fez.«
    »Der was?«
    »Mei, der Bene und die anderen, die hamm uns entdeckt, hamm den Bauwagen zug’nagelt und mit ’m Radlader auf’n Marktplatz von Ratzisried gezogen … und so ein blödes Schild dran g’nagelt, von draußen, dass man nicht stören sollt … dann hamm natürlich alle g’wusst, was wir zwei da drin machen … oder halt machen wollten …«
    Rita waren dörfliches Brauchtum und ländlicher Humor in ihrer Gnadenlosigkeit nicht unbekannt.
    »Und dann?«
    »Mir zwei sind da dring’hockt und haben nix machen können. Und dass wir uns küssen, da ist uns ein bissle die Lust vergangen. Ein W erkzeug zum A usbrechen hamm wir ja koins dabeig’habt. Dann ist es ganz saudumm fad worden da drin … «
    Rita nickte.
    »Durch die Ritzen vom Fenster hat man g’sehn, dass es schon hell g’worden ist, aber die Fenster haben’s ja auch zugenagelt. Und von draußen hat man die Leut’ lachen hören, immer mehr sind’s worden, die haben ja alle zum Schaffen müssen, an dem blöden W agen vorbei. Und ich wollt die Maria trösten, aber die hat nicht einmal mehr dazu eine Lust g’habt …«
    »Hätte ich auch nicht gehabt, Ewald.«
    »Ebendrum. Und dann ist der V ater von der Maria gekommen und hat die T ür aufbrochen mit’m Kuhfuß. Stinksauer war der, hat die Maria raus’zogen und mir sauber eine g’scheuert, vor all die Leut’. Und hat g’sagt, ich sollt mich nie wieder blicken lassen in der Nähe von der Maria, und ich wär das dümmste Rindvieh von ganz Ratzisried und wenn er mich noch einmal mit der Maria erwischen tät, dann haut er mi tot. Da haben’s dann alle recht g’lacht auf’m Marktplatz. Und wie ich dann heim bin, wie’s dunkel worden ist, da hat mei’ Mutter auch recht g’schimpft, weil man sich so schämen müsst vor die Leut’. Und den kennt halt seitdem ein jeder in Ratzisried, den Marktplatz-Fez.«
    Dem hatte Rita nichts hinzuzufügen oder zu entgegnen.
    »Die Maria hat mich gar nicht mehr angeschaut seitdem und hat dann einen vom Gym … von der Oberschul’ aus Lindenberg g’heiratet. Dann wird man jed’s Jahr älter, und die Mädle auch, und irgendwann sind die dann fort oder sie haben einen Mann und Kinder. Man kann’s halt nicht zwingen und ist der Depp und hat seine Ruh.«
    Rita nahm Ewalds Hand, beide saßen stumm da, den W ind im Gesicht, wie die letzten zwei V ersprengten aller Dorffeste dieser W elt. Nach einer kleinen Ewigkeit holte Ewald das A kkordeon aus dem Koffer und begann zu spielen, das c-Moll-Präludium von Johann Sebastian Bach, Bach-Werke-Verzeichnis Nr. 567. Rita hörte zu und legte den A rm sanft auf seine Schulter.
    »Und gestern A bend hab ich dann halt Schiss gekriegt, weil ich eben noch nie … und noch dazu bist du die Freundin vom Zwerger …«
    »Das hast du mitgekriegt?«
    »Ich bin doch kein Depp.«
    »Und ich bin nicht mehr die Freundin vom Zwerger.«
    Rita nahm Ewald sanft das A kkordeon ab.
    »Komm.«
    Arm in A rm gingen die beiden zu dem Bauwagen, der unverschlossen war.
    »Ausg’rechnet ein Bauwagen.«
    »Das passt dann ja, oder?«
    Rita verriegelte die T ür von innen und nahm Ewald in den A rm. Die zärtlichen Küsse dauerten eine Ewigkeit, bis nach und nach die
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