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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
Autoren: Stephen Baxter
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PROLOG
1070 N. CHR.

    Orm Egilsson gehörte zu den Letzten, die an diesem strahlend hellen Februarmorgen das Dorf erreichten, und da lag es bereits in Ruinen. Man hatte die Holzhäuser in Brand gesteckt, die steinernen Scheunen wie Eier aufgebrochen, die Wintervorräte geraubt, das Saatgut verbrannt und die Tiere – selbst die trächtigen Mutterschafe und Kühe – geschlachtet oder vertrieben.
    Und überall lagen Leichen. Männer und kleine Jungen waren wie Grashalme niedergemäht worden. Einige von ihnen hielten behelfsmäßige Waffen in den Händen, Sicheln und Rechen, ja sogar Spieße und rostige Schwerter, mit denen sie gegen die normannischen Krieger nicht das Geringste hatten ausrichten können. Aber diese Bauern waren gezwungen gewesen zu kämpfen, denn seit Harold vor über drei Jahren bei Hastings vernichtend geschlagen worden war, gab es kein englisches Heer mehr, das für sie kämpfte, und auch keinen englischen König. Und nachdem die Männer gefallen waren, hatten die Frauen und Mädchen dem üblichen Zeitvertreib der Normannen gedient. Orm wandte den Blick von den verdrehten Körpern in ihren blutigen Lumpen ab, in deren Umgebung der
Schlamm von den Knien und Füßen der Soldaten aufgewühlt war.
    So wie hier war es im ganzen Land. Wohin Orm auch blickte, überall sah er Rauchwolken aufsteigen, die von der gewaltigen Rauchsäule über dem wenige Meilen entfernten York beherrscht wurden. Die Normannen wollten sicherstellen, dass in diesem Land mindestens auf eine Generation hinaus keine weitere Rebellion Rückhalt fand; das galt auch für die heimlichen Nadelstiche der Wildmänner. Und die Normannen verfolgten ihre Ziele mit gnadenloser Effizienz.
    Auf Geheiß seines Offiziers stieg Orm ab und führte sein Pferd am Zügel hinter sich her. Der Säuberungstrupp hatte die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Arbeit gründlich beendet wurde. Die Hitze der schwelenden Feuer ließ Orm in seinem schweren Kettenhemd schwitzen, und die rußige Luft unter seinem kegelförmigen Helm hatte eine nahezu grobkörnige Beschaffenheit. Aber wie alle anderen stocherte er mit einem Stichschwert in verkohlten Trümmern und drehte Leichen mit dem Fuß auf den Rücken. Das war weniger schlimm, als selbst an dem Gemetzel teilzunehmen.
    Er gelangte zu einer zerstörten Hütte oder vielmehr einer kleinen christlichen Kapelle, die, wie er an den Überresten eines Gedenksteins sah, der heiligen Agnes geweiht war, einer römischen Märtyrerin. Orm stieß die Trümmer der eingestürzten Mauern mit dem Fuß beiseite und legte den mit Stroh bedeckten Lehmboden frei. Hier gab es eine Herdstelle, deren Steine noch warm waren vom nächtlichen Feuer, und zwei
bereits aufgebrochene Holztruhen. Nichts Wertvolles war mehr übrig.
    Doch unter dem Stroh bewegte sich etwas, ein Rascheln im Schmutz. Vielleicht eine Ratte. Er ging zu der Stelle hinüber.
    Und er hörte die leise Stimme einer Frau, die einen Singsang schnell hervorgestoßener englischer Worte intonierte:
    Am Ende der Zeit
Wird er kommen
Zum Schweif des Pfaus:
Die Spinnenbrut, der Christusträger
Der Täuberich.
Und der Täuberich wird ostwärts fliegen …
    Ein Gebet? Keines, das er kannte – was bei einem Heiden aber auch nicht weiter verwunderlich war.
    Er stampfte fest mit dem Fuß auf. Sein Stiefel erzeugte ein dumpfes, hohles Geräusch. Die Stimme verstummte.
    Er stieß das Stroh beiseite und legte grob geschnittene Bretter frei. In den Lücken zwischen den Brettern sah er eine rasche Bewegung, das Aufblitzen eines blauen Auges.
    Orm stellte sich breitbeinig hin und hob das Schwert, um es nach unten zu rammen. Aber dann zögerte er; er hatte das Blutvergießen satt. Er bückte sich, schob seine behandschuhten Finger zwischen die Bretter und zog sie nach oben.

    In der Grube kauerte eine Frau, die eine schmutzige schwarze Kutte trug. Sie zuckte vor dem Licht zurück und schlug die Hände vors Gesicht. Neben ihr sah er einen halb aufgegessenen Laib harten Winterbrotes, einen Holzkrug mit Wasser und eine verfärbte Stelle am Boden, deren Gestank ihm verriet, dass sie schon seit einigen Stunden in dieser Grube hockte.
    Er sollte sie erledigen. Das wäre gnädiger, als sie in die Hände der Normannen fallen zu lassen. Er packte das Heft des Schwerts fester.
    Sie ließ die Hände sinken und schaute zu ihm herauf. Sie hatte leuchtend blaue Augen, ein rundes, kräftiges Gesicht und kurz geschnittene Haare.
    Ihm stockte der Atem. »Godgifu«, stieß er hervor. Und ließ das
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