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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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verlorene Königskinder saßen Ewald und Rita nebeneinander auf der Holzbank des Bauwagens, schwiegen einfach und froren ein bisschen.
    Durch das Fenster sahen sie, wie Zwerger mit gesenktem Haupt die Landebahn entlangging, als wolle er nur weg sein, möglichst weit weg sein vom Ort seiner endgültigen Niederlage.
    Ewald sah Rita an.
    »Du hast Recht g’habt: Er ist gegangen.«
    »Komm her.«
    Ewald nahm Rita in den A rm, und ganz langsam fanden sich ihre Lippen wieder. Der Kuss wurde bald stürmischer, Ritas Pullover fiel zu Boden, und kurz darauf tobte im Bauwagen wieder ein gewaltiger Sturm der Leiber.
    Karl Zwerger blieb irgendwann mitten auf der Landebahn stehen. Er fühlte sich, als müsste er entweder auf der Stelle vor W ut platzen oder im nächsten Moment an einem Herzinfarkt eingehen. Er wollte einfach nicht wahrhaben, dass er Rita für immer verloren hatte und seine Kiesgrube noch dazu. Er hatte seine dicke Karin gewaltig unterschätzt.
    Das Einzige, was ihn noch halbwegs bei Contenance hielt, war die Plastiktüte mit 780 000 Euro in bar, die in der Innentasche seiner Fliegerkombi steckte. Das Geld hatte er schon vor drei W ochen als Notreserve vom Nummernkonto abgehoben und im Schuppen versteckt, unter dem Sitz seines Cosmos-Trikes. A ber die V orstellung, dass ein Halbtrottel wie Fricker in diesem Bauwagen leibhaftig seinen kleinen Schmetterling Rita vögelte, brachte ihn fast um den V erstand. Da halfen auch die 780 000 in bar nicht.
    Karl Zwerger drehte sich um und ging zurück in Richtung des Bauwagens. Nach ein paar Schritten fing er an zu laufen, immer schneller, bis ihm fast die Lunge zu bersten drohte. A ls er am Ufer ankam, sah er seine Raupe dort stehen.
    Außer A tem kletterte er auf den Fahrersitz der Fiat und schrie:
    »Verreckt’s doch, alle beide!!! Sauft’s ab wie meine Kiesgrube!!!«
    Er ließ die Maschine an, prügelte wie von Sinnen den Gang ins Getriebe, hob die Schaufel an und fuhr los, auf den Bauwagen zu, als wollte er A nlauf nehmen. Mit vollem Karacho rammte Zwerger die Schaufel der Raupe in die Seitenwand des Bauwagens und schob ihn kurzerhand über die kleine Betonkante des Ufers in die Ostsee.
    Als Ewald mitten im Liebesspiel merkte, wie der Bauwagen abkippte, stützte er Rita mit dem rechten A rm und hielt sich selbst am Dach des Bauwagens fest. Der W agen kippte weiter und kam auf der Seitenfläche zu liegen.
    Rita war vor Schreck wie gelähmt. Dann sah sie von unten das W asser in den W agen laufen und fing an zu schreien.
    »Wir saufen ab! V erdammte Scheiße, wir saufen ab!«
    »Kannsch’ vergessen, Rita. Das ist ganz flach hier. Ich wollt mich heut Nacht selber ersäufen und bin mit dem Moped in die Ostsee reingefahren. Das W asser ist mir bloß knapp bis übers Knie gegangen, dann bin i glei’ wieder raus.«
    »Zum Glück.«
    Ewald machte das Fenster des W agens auf, das jetzt nach oben zeigte, direkt zum blauen Himmel. Ewald zog sich hoch und sah nach draußen. Karl Zwerger hockte auf der Raupe, in sich zusammengesunken.
    »Lassen’s die Fiat einfach stehen, Herr Zwerger. Die bring ich Ihnen dann wieder zurück.«
    Ewald ließ das Fenster wieder zufallen und nahm Rita in den A rm. Ein paar Minuten später hörten sie den Rotax-Motor aufheulen und in der Ferne verschwinden.
    Ewald lächelte.
    »Jetzt ist er wirklich weg, glaub ich.«
    Rita seufzte.
    »Das war’s dann wohl.«
    »Der hat sich halt austoben müsse, der Zwerger. Jetzt, wo alles weg ist und der Porsche auch.«
    »Komm her. Ich will mich auch nochmal austoben!«
    Das W asser bedeckte gerade mal dreißig Zentimeter der Seitenwand des W agens, der jetzt zum Boden geworden war. Ewald lachte.
    »Ausg’rechnet ein Bauwagen … fast wie damals. Ein sse-la-wie-Erlebnis …«
    »Deh schaa wüh.«
    »Eben. A ber grad schon egal.«
    Die Sonne ging unter. Einen Moment lang schien sie über dem Greifswalder Bodden noch abzuwarten, ob es sich überhaupt lohnte, wieder abzutauchen, nachts A frika und den Mond anzustrahlen, um am nächsten Morgen im Osten wieder aufzutauchen und das gleiche Spiel abzuziehen wie jeden T ag. Doch eine Sonne kennt keinen Zweifel: Sie rauschte ab, ins W asser hinein, und plötzlich ging alles ruck, zuck schnell.
    »Wenn die Sonne einmal g’merkt hat, dass sie über den Punkt drüber isch, dann haut sie ab wie eine g’sengte Sau.«
    Rita lächelte.
    »Das gibt’s bei Menschen auch.«
    »Meinst, der Zwerger taucht wieder auf in Ratzisried?«
    »Der verzieht sich irgendwohin in den
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