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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell
Autoren: Allerheiligen
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seinem Vater angekommen und hatte immer noch nicht abgedrückt. Der Lauf des Revolvers zitterte. Im Moment gab es für Konstantin Heigl in diesem Raum nur den Schmuck und seinen Vater und die Notwendigkeit, fünfhundert Jahre Geschichte und ein Leben zu beenden, das für ihn voller Hass gewesen war. Und nun konnte er nicht abdrücken und seinen Vater erschießen, zum einen, weil sonst die ganze Mission, die er sich auferlegt hatte, umsonst gewesen wäre, zum anderen aber, weil Hass nur die andere Seite von Liebe ist und Konstantin Heigl es schon nicht fertiggebracht hatte, seinen Bruder zu töten, den er ebenso gehasst hatte, an dessen Stelle er seine Freundin erschossen hatte, und den er auf eine Weise in den Tod geschickt hatte, dass er es nicht hatte mit ansehen müssen.
    Doch statt dass Flora aus dem Raum geflohen wäre, sprang Harald Sander auf, gab ein ersticktes Röhren von sich und stürzte sich mit seinen gefesselten Händen auf Konstantin Heigl.
    Konstantin wirbelte herum, einen Augenblick bevor Peter seine Schusshand packen konnte, und sprang beiseite. Harald versuchte, sich herumzuwerfen, geriet ins Stolpern und rannte in Tristan Heigl hinein. Er schob den alten Mann vor sich her, als würde dieser nichts wiegen. Zusammen torkelten sie auf eine der Fensteröffnungen zu. Konstantin brüllte auf und riss die Waffe herum. Peter schaute in die Mündung und ließ sich entsetzt nach vorn fallen. Das Stativ mit dem Schweißbrenner fiel um, die Pfanne schepperte von den Benzinkanistern herunter. Mit einem Fauchen sprang der Schweißbrenner an. Seine grellblaue Lanze aus Licht und Hitze stach in den Raum und verfehlte die Benzinkanister. Konstantin drückte den Abzug durch.
    Der Schuss dröhnte wie der einer Kanone. An Haralds linker Schulter war der Ärmel plötzlich zerrissen, und Peter meinte im Gegenlicht des Scheinwerfers einen roten Nebel zu sehen, der von Haralds Schulter wegsprühte. Harald wurde herumgeworfen, drehte sich im Fallen einmal um sich selbst und schlug schwer auf dem Boden auf.
    Wen die Kugel, die Haralds Oberarm durchschlagen hatte, voll traf, war Tristan Heigl. Sie warf den alten Mann gegen die Wand neben dem Fenster. Er rutschte daran herunter wie eine Lumpenpuppe und fiel nach vorn, den Schmuck noch immer in der Hand. Blut pumpte aus einem großen Loch in seinem Rücken. Tristan Heigl zuckte einmal und lag dann still.
    Konstantins Mund arbeitete. Die Hand, in der er die Pistole hielt, sank herab. Dann wandte er sich schneller um, als Peter auf die Beine kommen konnte, packte Flora und zerrte sie mit sich zum Fenster. Er stieg über Harald hinweg, der halb betäubt auf dem Boden lag, schlang den freien Arm um Floras Hals und drückte ihr den Lauf des Revolvers erneut unters Kinn, dann beugte er sich nach vorn und starrte den Toten an.
    »Um Gottes willen, Konstantin, geben Sie auf«, sagte Peter. Er kam auf die Beine und schaltete den Schweißbrenner ab. Konstantin spähte zu ihm herüber. Er presste Flora so eng an sich, dass ihre Wangen aneinanderlagen.
    »Was?«, zischte Konstantin. »Was?«
    Flora ächzte, als die Mündung der Waffe eine Schramme in ihre Haut ritzte. Konstantin zitterte wie jemand, der demnächst einen Nervenzusammenbruch erleiden würde.
    »Geben Sie auf«, sagte Peter. »Es ist vorbei.«
    Konstantins Unterlippe zitterte. »Er ist …«, begann er, »er ist tot …«
    »Ja«, sagte Peter.
    »Ich hab ihn … ich hab ihn getroffen …«
    Peter nickte. »Ja«, wiederholte er. »Und jetzt legen Sie die Waffe weg.«
    »Aber so sollte es doch nicht sein!«, schrie Konstantin.
    »Ja«, sagte Peter zum dritten Mal. »Es kommt immer anders. Beruhigen Sie sich und legen Sie die Waffe weg! Und lassen Sie meine Kollegin los!«
    Konstantins Griff lockerte sich. Flora machte sich von ihm los, aber er ließ sie nicht gehen. Der Lauf der Waffe sank herab, verharrte unschlüssig, richtete sich dann genauso unschlüssig auf Peter und begann aufs Neue zu zittern.
    »Es ist vorbei«, sagte Peter ruhig. Er streckte die Hand nach dem Revolver aus. »Kommen Sie, ich nehme Ihnen das Ding ab.«
    Konstantins Augen schwammen. Er bebte wie in einem Schüttelfrost. Langsam und wie von selbst kroch sein Daumen am Griff des Revolvers hoch und legte die Sicherung um. Peter atmete aus. Er zwang sich zu einem Lächeln und trat auf Konstantin zu. Er spürte Floras Blicke auf sich, aber er wusste, dass er Konstantin nicht aus den Augen lassen durfte.
    Er erfuhr nie, ob Konstantin ihm die Waffe
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