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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell
Autoren: Allerheiligen
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Turmbewohner von einer Lichtinsel zur anderen flog.
    Im Schein des Handydisplays sah Peter aber noch etwas: die dicke Staubschicht, die auf dem Handlauf lag. Der hölzerne Handlauf war durch jahrhundertelange Benutzung glattgeschliffen und von der jahrelangen Vernachlässigung, die seit dem Zutrittsverbot herrschte, verstaubt. Aber an vielen Stellen war der Staub abgewischt, und das dunkel gewordene Holz reflektierte den Schein des Displays. Der Staub war auch an Stellen abgewischt, die Peter noch gar nicht erreicht hatte. Er war von Händen abgewischt worden, die erst vor kurzem den Handlauf berührt hatten! Er hatte richtig geraten!
    »Was versprechen Sie sich von alldem?«, war Roberts Stimme im Lautsprecher von Peters Handy zu vernehmen. »Sie können den Schmuck nicht verkaufen, und Sie können ihn auch nicht in Ruhe irgendwo genießen, weil Sie jetzt, wo wir Ihren Namen kennen, keine Ruhe mehr finden werden.«
    »Sagen Sie mal, Herr Hauptkommissar – hört Ihr Team dieses Telefonat eigentlich mit?«
    »Natürlich«, log Robert.
    Peter lauschte aufmerksam. Worauf zielte Konstantins Frage ab? Fürchtete er, dass die SOKO -Beamten versuchten, den Standort seines Telefons anzupeilen?
    Mittlerweile war er dort angekommen, wo die vierstöckige quadratische Basis des Turms in den oktagonalen oberen Teil überging. Er versuchte, sich zu orientieren. Wo war die Treppe, die von hier aus weiter nach oben führte?
    »Ich frage mich, ob alle Ihre Leute wissen, dass Ihr Chef Harald Sander den Juwelier in Bogenhausen erschossen hat und nicht ich. Und dass Sie Ihren Chef decken, anstatt wie ein Polizist gehandelt und ihn selbst festgenommen zu haben.«
    Peter blieb stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Das finstere Treppenhaus drehte sich um ihn. Was? Beinahe hätte er die Frage in das Mikrophon geschrien. Im letzten Moment biss er sich auf die Zunge.
    »Ja, das wissen alle«, erklärte Robert nach einer langen Pause.
    »Eigentlich müssten Ihre Leute Sie auch festnehmen«, sagte Konstantin.
    »Zuerst sind Sie an der Reihe«, entgegnete Robert.
    Peter war schwindlig. Aber Konstantins Anschuldigung und Roberts Geständnis erklärten ein paar Umstände, die Peter bislang schleierhaft gewesen waren. Ein Bild fügte sich zusammen, aber eines, das mehr neue Rätsel aufgab, als es alte löste. Wenn in Wahrheit ein Schuss aus Harald Sanders Pistole den Juwelier getötet hatte und wenn man die Schmauchspuren an den Händen des toten Museumswächters so interpretierte, wie Sabrina Hauskeck es angedeutet hatte, nämlich als Spuren eines Kampfs … Hatte Doreen nicht gesagt, dass bei der Bewachung des Museums in Wittenberg nur geschultes Personal eingesetzt worden war? Hatte der Wächter sich überschätzt und gedacht, dass er den Raubüberfall verhindern könne?
    Was würde das bedeuten? Dass Konstantin in Wahrheit nur zwei Menschen bewusst getötet hatte – Natalie Seitz, die Freundin seines Bruders, die er erschossen hatte, und seinen Bruder Eric, den er in den Tod durch die Polizeikugeln hatte laufen lassen. Seine Morde waren in der Familie geblieben, wenn man so wollte. Er hatte weder der Familie des Juweliers, die er in seiner Gewalt gehabt hatte, noch der Geisterführungsgruppe auch nur ein Haar gekrümmt. Er hatte selbst Dominik Wiesner verschont.
    »Geben Sie auf«, drang Roberts Stimme durch Peters Fassungslosigkeit. »Sie können Ihr Ziel nicht erreichen. Der Schmuck wird nie Ihnen gehören, und zu Geld machen können Sie ihn auch nicht.«
    Peter blinzelte in die Dunkelheit. Ihm war wieder eingefallen, dass die Treppe, die in den Glockenstuhl hochführte, eine enge Schnecke im südöstlichen Treppenturm war, und auf ihr war er nach oben gekrochen. Das Türchen, das in den Glockenstuhl führte, stand offen. Er trat hinaus. Die Glocken waren mächtige, matt schimmernde Umrisse in der Dunkelheit. Was war Konstantin Heigls Ziel? Hatten sie alle die ganze Zeit völlig falsch gedacht?
    »Ich bin schon kurz davor«, war Konstantins Stimme zu hören, und zum ersten Mal klang er müde. Ein Knacken machte Peter klar, dass Konstantin die Verbindung getrennt hatte. Als Nächstes hallte ein Gongschlag durch den Turm, der in Peters Zwerchfell vibrierte. Die große Uhr des Martinsturms hatte geschlagen. Unwillkürlich spähte Peter auf sein Handy. In der rechten oberen Ecke zeigte es die Uhrzeit an: 23 : 00 Uhr. Die Uhr würde fünfzehnmal schlagen, viermal für die volle Stunde, elfmal für die Uhrzeit. Was sich unten in der Stadt
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