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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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PROLOG
    Es gibt diese vermaledeiten Tage an denen nach dem Erwachen mit dem ersten Augenaufschlag sofort klar ist, heute ist bereits alles gelaufen! Das Beste wäre wohl erst gar nicht aufzustehen. Dieses Phänomen ist nicht erklärbar. Es ist ein Urinstinkt, ein unangenehmes Gefühl ohne Ankündigung. Einfach da und mit nichts, aber auch schon gar nichts, zu vertreiben.
    Doch die Pflicht ruft in der Gewissheit, dass man auf der Verlierer­strecke ist. Ein Kampf zwischen Ratio und diesem psychischen Unwohlsein. Trotz­dem bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als sich der Herausfor­derung zu stellen und sich nach Möglichkeit zu bemühen, halb ­ wegs unge­schoren über die Runden zu kommen. Allerdings, das Scheitern ist vorprogra mmiert.
    Genau so ein Tag ist heute. Kein Montag, dafür ein Freitag, wenigstens kein dreizehnter. Der Radiowecker piepst eindringlich, die roten Digital­ ziffern zeigen sieben Uhr fünfzehn und blinken gehässig. Aus dem kleinen Lautsprecher dudeln seichte Witzchen des Moderators, bevor er Shakiras neuesten Hit ankündigt. Auch die Strahlen der immer noch kräftigen Herbst­ sonne, die durch das geöffnete Schlafzimmerfenster hereindringen und den Raum in ein warmes, friedliches Licht tauchen, ändern nichts an der unums tößlichen Tatsache, dass nach diesem Tag nichts mehr so sein wird wie gestern.
    Lautstark und herzhaft gähnt Heinz Kokoschansky, denkt für einen Augenblick an Shakiras heißen Hüftschwung, während er ihrem Song lauscht, verflucht dabei diese Quasselstrippe von Moderator, der unbedingt da­zwischen­quatschen muss. Dann reckt sich Kokoschansky ausgiebig nach allen Seiten, bleibt noch für ein paar Minuten auf dem Rücken liegen. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, beobachtet er eine anscheinend jahres­zeitenresistente Fliege, die unbeirrt ihre Kreise um die Deckenlampe zieht.
    Sein unrasiertes Gesicht juckt. Er schabt mit der Handfläche über sein stacheliges Kinn. Zum Glück ist er allein zu Hause, daher kann er sich auch nach Lust und Laune gehen lassen. Geräuschvoll und unappetitlich schmatzt er vor dem Zähneputzen vor sich hin, in der trügerischen Hoffnung den unangenehmen, pelzigen Geschmack auf diese Weise loszuwerden. Dabei müsste er es besser wissen. Gestern wieder einmal viel zu viele Zigaretten geraucht und im Übermaß Kaffee getrunken.
    Kokoschansky lässt einen Arm fallen, tastet nach der Mineralwasser­flasche neben dem Bett, richtet sich auf, öffnet den Verschluss und nimmt einen kräftigen Schluck. Kaum ist die Flüssigkeit durch seine Kehle, folgt augenblicklich ein ohrenbetäubender Rülpser. Trotzdem bleibt ihm die Kloake im Mund erhalten. Mit einem tiefen Seufzer lässt er sich wieder zu­rückfallen. Obwohl er tief und fest wie ein Bär geschlafen hatte, fühlt er sich ausgelaugt, schlaff und wie gerädert , wie nach einer durchzechten Nacht.
    Er dreht seinen Kopf zur Seite, blickt auf die leere Betthälfte. Lena ist längst bienenfleißig, während er noch immer faul herumliegt und um diese Zeit kaum etwas auf die Reihe bekommt. Kokoschansky ist der geborene Morgenmuffel. Es dauert seine Zeit bis er endlich in die Gänge kommt oder, wie er es nennt, Betriebstemperatur erreicht. Außer Lena ist zu Hause und, was sehr häufig vorkommt, sie überkommt plötzlich die Lust. Dann heißt es sich zusammenreißen und seinen Mann zu stehen.
    Auf dem Laken liegt ihr übergroßes T-Shirt mit dem aufgedruckten, heulenden Kojoten, das sie als Nachthemd benutzt. Liebevoll streicht Koko­s chansky über den Stoff. Selbst das Zettelchen, abgerissen von einem Notizblock und auf dem Kopfkissen platziert, kann seine üble Laune nur für einige Sekunden verbessern. Mit ihrer feinen, beinahe wie ziselierten Handschrift, die jeden Kalligraphen erfreuen würde, hinterließ sie ihm eine nette Liebesbotschaft, bevor sie in den Dienst fuhr: Dich gebe ich nie mehr her .
    Ein lieb gewordenes Ritual, das zwar nicht täglich geschieht, aber da nn meist unerwartet. Immer lässt sie sich etwas Neues einfallen. Mal liegen diese Zettel auf dem Kissen, mal auf dem Küchentisch, dann findet er sie wieder in seinem Arbeitszimmer oder in der Jacke. Manchmal revanchiert er sich auf die gleiche Weise, meist jedoch vergisst er es einfach, doch Len a nimmt es ihm nicht krumm. Inzwischen kennt sie ihren Koko, wie ihn alle nennen, besser als er sich selbst. Und Männer ticken nun einmal anders als F rauen. Ihr Koko ist schon schwer in Ordnung. Weder ihm noch ihr konnte
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