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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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würde, wäre dieser kräftige Einschnitt in sein Budget leichter zu ertragen. Wahrscheinlich wird er mit seiner Steuernachzahlung seinen Beitrag dafür leisten eine heimische Bank zu stützen, die sich ein wenig verspekuliert hat und nun bei Vater Staat um Hilfe bettelt. Nur nicht darüber nachdenken. Sonst dreht man durch, so verfahren ist der Karren. Das ist schon lange nicht mehr sein Österreich. Klar, gegenüber anderen Staaten liegt dieses Land zwar noch immer auf der Butterseite. Fragt sich nur wie lange noch? Die latente Inkompetenz der heimischen Politiker in Kombination mit Raffgier zur Absicherung der eigenen Pfründe zu Lasten des Volkes kann auf Dauer nicht gut gehen. Das Resultat ist ein permanent marodes, täglich mehr malträtiertes System. Selbst der Dümmste begreift, dass Loch-auf/Loch-zu-Praktiken nur zeitlich begrenzt und bedingt funk­tionieren.
    Zweifelsohne lässt es sich in diesem Land herrlich leben, sofern man das e igene Denken ausschaltet, sich anpasst, Scheuklappen trägt und nicht gewillt ist, über den Tellerrand zu blicken. Kritiklos akzeptieren, was von o ben angeordnet wird und sich von der Illusion der vermeintlichen Postkartenidylle einlullen lassen.
    Kokoschansky mag nicht mehr darüber nachdenken, sonst platzt er vo r Wut. Verächtlich spuckt er in die Toilettenmuschel und zieht seine Boxer­shorts hoch. Natürlich versuchte er mit sämtlichen Tricks, die ihm in den Sinn kamen, diese bevorstehende Steuernachzahlung hinauszuzögern. Das ist seine Art des Protestes. Wenn es oben klappt und es sich Leute leisten k önnen, ein paar Millionen zu vergessen, sich zu verspekulieren, dafür sogar noch satte Boni kassieren, ohne dass ihre weiße Weste auch nur bekleckert worden wäre, darf sich der Staat nicht wundern, wenn der kleine Bürger ebenfalls versucht, den Fiskus nach Strich und Faden übers Ohr zu hauen.
    Kokoschansky, der sich als freiberuflicher Fernsehjournalist im Laufe der Jahrzehnte einen Namen machen konnte, indem er sich auf Enthüllungs­ journalismus spezialisierte – vorwiegend über organisierte Kriminalität, Wirt­schaft und Politik – verdient zwar passabel und diese Steuernachzahlung bringt ihn nicht an den Bettelstab, dennoch ärgert sie ihn maßlos. Schließlich ist es seine eigene Schuld. Wie oft hatte er sich vorgenommen, endlich ein eigenes Steuerkonto zu eröffnen, worauf er regelmäßig einzahle n wollte. Dann hätte er sich diesen ganzen Ärger erspart. Immer wieder hatte er es auf die lange Bank geschoben, einfach vergessen ... bis dieser Wisch des Finanzamtes in seinem Briefkasten lag.
    Geld oder besser der Umgang mit Geld ist nicht seine Sache. Nie gewesen. Das Spar-Gen fehlt ihm. Sicherlich hätte er um Ratenzahlung bei m Finanzamt nachsuchen können. Ob sie ihm auch bewilligt worden wäre, steht auf einem anderen Blatt. Die leidige Angelegenheit wäre nur hinaus­gezögert worden. Heute, das nimmt sich Kokoschansky fest vor, wird dieses verdammte Konto endlich eröffnet. Ihm ist klar, dass er in der Bank gleich einen weiteren Wutanfall bekommen wird, wenn er nur an die hor renden Spesen denkt, die damit verbunden sind. Er wartet nur noch darauf, dass das Betreten einer Bank in Rechnung gestellt wird oder das Atmen in der­selben. Schließlich atmet der Kunde auch die Luft der Bankangestellten weg und irgendwie muss dieses Lehman-Brothers-Disaster doch ausgebügelt werden.
    Heute ist erst einmal das Ende der Fahnenstange erreicht und Zahltag. Einen kleinen Triumph gönnt sich Kokoschansky, obwohl es lächerlich ist und das Finanzamt überhaupt nicht kratzt. Es ist der letzte Tag vor Ablauf der Zahlungsfrist. Spätestens in achtundvierzig Stunden würden sich die Lakaien des Finanz­ministers wieder brieflich mit einem saftigen Säumnis­zuschlag und Mahnspesen bei ihm melden.
    Diese Sache ist in spätestens einer Stunde erledigt, die andere, die Koko­ schansky noch mehr auf den Magen schlägt, kann so oder so ausgehen. Dieses Damoklesschwert, das über dem Journalisten schwebt, ist nicht zu unter­schätzen. Längst ist in Österreich investigativer Journalismus nicht mehr gefragt, sondern nur noch Hofberichterstattung gewünscht.
    Sämtliche Berichte über heikle Themen werden in voraus­eilenden Gehorsam entschärft. Mutige Chefredakteure und Sendungsverantwortliche sind kostbare Rari­täten geworden. Da in den oberen gesellschaftlichen und poli­tischen Rängen alle mit allen in irgendeiner Form verhabert 1 sind, Seil­schaften zum
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