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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergra ben, mit hochgezogenen Schultern zu seiner Hausbank.
    Für Ende Oktober ist es ungewöhnlich warm. Es ist kurz nach acht Uhr morgens. Die Vernehmung ist für zehn angesetzt und die Polizeiinspektion nur einen Katzensprung von der Bank entfernt. Zeit genug danach noch ins Kaffeehaus zu gehen und ein bisschen in den Zeitungen zu schmökern.
    Lieber säße der begeisterte Radfahrer jetzt auf seinem Drahtesel, um das tolle Wetter zu nutzen. Ein bisschen am Marchfeldkanal entlangfahren oder in die Prater Hauptallee.
    Mein Gott, sinniert er vor sich hin, jünger müsste man sein und ohne Anhang. Kokoschansky ist sich nicht sicher, ob er dann nicht die Fron ten wechseln würde. Höchste Zeit wieder einmal eine Revolution anzuzetteln, damit sich endlich etwas bewegt. Doch die gewaltfreie Revolution bleibt eine Illusion. Auch Gandhi ist daran gescheitert. Passiver Widerstand gegen alles und jeden, was von oben angeordnet wird. Immer öfter träumt Koko davon. Was wäre wenn tatsächlich niemand mehr zu den Wahlen ginge? Eine gesamte Nation boykottiert die nächsten Nationalratswahlen, weil ohne­ hin klar ist, dass sämtliche Wahlversprechen gebrochen werden, und sich danach im Wesentlichen nichts ändert. Ebenso eine Illusion wie die gewalt­freie Revolte.
    So kann es in diesem Land nicht mehr weitergehen. Alles geht den Bach runter und das Fatale daran ist, die Leute sehen tatenlos zu, sind nicht gew illt dagegen etwas zu unternehmen. Mit Österreichern kann man keine Revolution lostreten. Das endet wie das Hornberger Schießen. Sobald ihnen ein schärferer Wind ins Gesicht bläst, verstecken sie sich in ihren Schnecken­häusern, legen die Hände in den Schoß und resignieren. Wichtig ist, dass der B ierpreis nicht steigt, die Weinernte gut ausfällt, der Musikantenstadl bleibt und der Kühlschrank halbwegs gefüllt ist. Wenn alles vor die Hunde geht, gibt es immer noch die Sozialhilfe.
    „Sage nein!“ heißt es in einem Lied von Konstantin Wecker. Dabei muss s ich Kokoschansky selbst an die eigene Nase fassen. Immer öfter ertapp t er sich dabei, zu kapitulieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Ist es tatsächlich eine Altersfrage, dass die Energie rapide abnimmt oder gliedert er sich bereits in die Riege der Angepassten ein? Das will er nicht zulassen und dagegen kämpft er an, doch das Feuer lodert nicht mehr so hoch wie früher.
    Was willst du eigentlich, ärgert er sich über sich. Du hast zwar in deinem Leben schon manche Scheiße gebaut, hast dich aber immer wieder daraus befreiten können. Entweder allein oder mit Hilfe anderer. Du hast einen Beruf, um den dich viele beneiden. Du kannst zwar nur selten einen Felsen sprengen, aber oft genug durch deine Arbeit Steine ins Rollen bringen. Manch­mal reichen diese Steine, dass daraus eine Lawine wird, die am Schluss ein paar dieser selbstherrlichen Bonzen unter sich begräbt. Warum bist du miese­ petrig und schlecht drauf? Du bist im besten Alter mit genügend Hirn und Erfahrung, im Bett liegt deine junge, wunderschöne Lena, die zu dir hält und mit dir durch dick und dünn geht.
    Tief in Gedanken versunken rempelt Kokoschansky beinahe den im Bankfoyer stehenden Security-Mann an. Seit sich die Überfälle in Wien häufen, haben viele Banken aufgerüstet und privates Sicherheitspersonal engagiert. Der Journalist ist überzeugt, dass die Kosten dafür sicherlich als Spesen mit einer Allerweltsbezeichnung dem Kunden untergejubelt werden. Aber so genau will er das gar nicht wissen.
    Kokoschansky blickt auf die Uhr. Kaum Viertel nach acht, aber es tum meln sich genug Leute in der Bank. Doch alle reden von der Krise. Wetten hätte er können, dass sich vor den beiden Schaltern Schlangen gebildet haben. Seit Einzahlungen und Abhebungen auf Selbstbedienung umgestellt wurden, sind dementsprechend die Schalter reduziert. Kokoschansky wird das Geld von seinem Sparbuch an das Finanzamt überweisen, weil er sein Konto nicht belasten will. Nur langsam wird seine Schlange, in der er wartet, kleiner.
    Der geschniegelte Anzugtyp vor ihm geht Kokoschansky mit seinem penetranten Rasierwasser schwer auf den Geist. Stinkt wie ein gesamter Puff in Phuket. Der gute Mann scheint es eilig zu haben oder ist Warten nicht g ewohnt. Andauernd steigt er von einem Fuß auf den anderen, sieht zum wiederholten Mal auf seine Armbanduhr, lässt dann einen Seufzer los und das Spiel beginnt erneut. Mehrmals räuspert sich Kokoschansky geräusch voll
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