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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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Ritze im Boden zu suchen, in die er verschwinden kann .
    An die zwanzig Kunden, geschlechtermäßig ungefähr gleich aufgeteilt, vorwiegend Erwachsene aller Altersklassen, halten sich im Kassenraum auf. Der mittelgroße, untersetzte Bankräuber trägt Jeans, unter der schwarzen, abgewetzten Lederjacke ein dunkles, einfarbiges T-Shirt und verdreckte Sportschuhe. Sein Gesicht ist mit einer grünlichen Sturmhaube maskiert wie sie auch Motorradfahrer unter dem Helm tragen. Aus dem Schlitz der Maskierung blitzen seine nervös herumirrenden, eiskalten Augen. Irgendwie erinnern diese Augen Kokoschansky an die Augen eines Huskys. Von der Statur und seinen Bewegungen her schätzt ihn Kokoschansky auf dreißig bis vierzig Jahre.
    „Hinlegen!“
    Noch immer liegen nicht alle am Boden, was den Gauner noch mehr in Rage bringt.
    „Seid’s ihr terrisch 3 ?“, tobt er weiter. Der Aussprache nach dürfte es sich um einen Wiener oder Niederösterreicher handeln, jedenfalls spricht er Dialekt. „Runter mit euch! Auf den Bauch!“, und als abermalige Dro hung an die Bankangestellten: „Ihr bleibt stehen! Ich will euch alle sehen! Keinen Alarm, sonst kommt hier keiner mehr lebend raus!“
    Das ist kein Profi, denkt Kokoschansky, der quatscht zu viel und spielt nur den abgebrühten Gangster. Dafür ist er allerdings mit einem großen Gewaltpotenzial ausgestattet, wie an dem niedergeschlagenen Security-Man n zu erkennen ist, der immer noch bewusstlos und sicherlich schwer verletzt ist.
    „Bitte, haben Sie doch Mitleid!“, fleht eine alte Frau mit Krückstock. „Ich hatte erst kürzlich eine Hüftoperation!“
    In der gleichen Sekunde bestätigt sich Kokoschanskys Einschätzung über den Gewalttäter. Gnadenlos wird die Alte zu Boden gestoßen, wo sie laut j ammernd mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenbricht und liegen bleibt. Ihr Krückstock schlittert über die Steinfliesen.
    „Halt’s Maul, Oma! Sonst bist du dran!“ Der brutale Typ kennt keine Gnade. Nach dieser unnötigen Attacke gegen die wehrlose Frau ist allen klar, der Drecksack geht aufs Ganze. Nach und nach folgen die Kunden seiner Aufforderung, zumal er zwei gewichtige Argumente in seinen Händ en hält. In Kokoschanskys Gehirn laufen die Gedanken wild durcheinander. Das ist sicherlich sein erster Überfall und der Verbrecher ist brandgefährlich. Es interessiert ihn nicht im Geringsten, ob jemand dabei draufgeht od er er am Ende selbst draufzahlt. Der setzt alles auf eine Karte.
    Vielleicht ein hoch verschuldeter Spieler, vielleicht ein pleite gegange ner Geschäftsmann oder jemand, dem das Schicksal sonst irgendwie einen Streich gespielt hat, der ihn aus der Bahn geworfen hat? Vielleicht auch ein J unkie? Dagegen sprechen jedoch sein durchtrainierter Körper und seine schnellen Bewegungen. Der lässt sich auf nichts ein. Beim nächsten, ger ingsten Zwischenfall schießt er mit Sicherheit jemanden über den Haufen. Trotz Maske ist ihm anzusehen wie ihm das Adrenalin bis unter den Augen­brauen steht. Der Mann ist hypernervös, voller Angst und wird dadurch zu einer unberechenbaren Zeitbombe.
    „Und? Was ist mit dir, Langer?“, schreit er Kokoschansky an, der erst jetzt bemerkt, dass er als Letzter von allen tatsächlich noch auf den Beinen ist.
    „Schon gut, schon gut“, versucht der Journalist ihn zu beruhigen während e ine der beiden Waffen auf seinen Bauch zielt.
    „Was ist das?“
    Mit einer Kopfbewegung deutet der Bankräuber auf Kokoschans­kys rechte Hand, der zu seinem Schrecken erkennen muss, dass er sein Sparbuch noch immer festhält.
    „Mein Sparbuch.“
    „Lass es fallen.“
    Mann, der Typ muss wirklich fertig sein, dass er sich alles zu krallen versucht, was er zu kriegen imstande ist.
    „Losungswort?“
    Kokoschansky nickt. Adieu, Notgroschen.
    „Und? Raus damit! Spuck’s aus!“
    Am liebsten möchte ihn Kokoschansky Dilettant schimpfen. Der braucht tatsächlich jeden Cent, egal wie. Überfällt eine Bank, hält einen Haufen Menschen mit seinen Knarren in Schach und versteift sich plötzlich auf dieses Scheißsparbuch!
    „Fetzenschädel!“
    „Was?“ Für einen Moment ist der Gangster tatsächlich aus der Fassung. Hätte er nicht seine beiden Pistolen in den Händen, wäre es nun ein Leichtes, ihn z u überwältigen. „Willst du mich verarschen, Langer?“, kommt es keuchend und drohend hinter der Sturmhaube hervor.
    „Mann, Fetzenschädel ist nun mal das Losungswort!“, Kokoschansky spürt wie ihm der Schweiß über den Rücken
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