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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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Pistolen auf den Eindringling.
    „Polizei! Waffen runter!“
    Kaum ausgesprochen, umfasst der Zeigefinger den Abzug. Nicht einmal mehr ein Wimpernschlag trennt den Schlagbolzen von der Patrone. Wieder dieser ohrenbetäubende Knall, der die Trommelfelle fast zum Zerplatzen bringt. Der Stoff der Sturmhaube über der Nasenwurzel zerreißt. Aus dem hässlichen Loch im Kopf rinnt ein dünner Blutfaden, durchnässt die Maske. Die Augen des verhinderten Bankräubers verdrehen sich, das Weiße blitzt unnatürlich aus den Sehschlitzen. Seine Waffen entgleiten den kraft­ losen Händen und knallen auf den Boden. Er knickt in den Knien ein, dreht sich zur Seite und kracht mit voller Wucht Kokoschansky in den Rücken , der sofort einen stechenden Schmerz bis hinunter in die Zehenspitzen verspürt. In seinem Hirn spuken Blitze und vor seinen Augen tanzen Sterne. Bereits im Fallen ist jegliches Leben des Gangsters ausgelöscht. Die junge Kassiererin bricht mit einem Weinkrampf zusammen.
    „Es ist vorbei! Leute, keine Angst! Es ist überstanden! Ich bin von der Polizei!“
    Kokoschansky blickt hoch, sieht einen jüngeren Mann in Zivilkleidung, der zwar noch seine Pistole in der Hand hält, deren Lauf jedoch auf den Boden gerichtet ist. In der anderen Hand hält er anscheinend seinen Dienstausweis und wedelt damit herum.
    „Na bravo“, murmelt Kokoschansky, „wieder einmal mehr dem Teufel von der Schaufel gesprungen.“
    Eine sonderbare Leere hat ihn überfallen, ein Gefühl der Gleichgültig­keit. Er empfindet keinerlei Freude, starrt nur auf einen imaginären Punkt in der Ferne, ist zu keinem Gedanken fähig. Macht sich auf diese Weise der Schock bemerkbar? Er weiß es nicht, obwohl er nicht zum ersten Mal in Todesgefahr schwebte und Gevatter Hein Auge in Auge gegenüberstand. Doch noch nie war dieses Danach so intensiv wie heute.
    „Kommen Sie“, schreckt ihn die Stimme des Polizisten hoch, „ich helfe Ihnen wieder auf die Beine. Sind Sie in Ordnung?“
    Kokoschansky nickt nur, merkt, dass diese schwere Last in Person des e rschossenen Bankräubers noch immer auf ihm liegt, ergreift die Hand un d lässt sich unter der Leiche so weit hervorziehen, bis er von selbst wieder auf die Beine kommt.
    „Alles okay?“, vergewissert sich der Polizist nochmals.
    „Ja, danke.“ Kokoschanskys Blick fällt auf das noch immer am Boden liegende Sparbuch. Blitzartig bückt er sich und hebt es auf.
    „Was tun Sie da?“
    „Das ist mein Sparbuch“, antwortet Kokoschansky. „Der Scheißkerl wollte es mir abnehmen. Wollen Sie es überprüfen?“
    „Nein. Interessiert mich auch nicht.“
    Langsam kommt der Journalist wieder in die Gänge. Das war verdammt knapp. Absurd, welche Gedanken einem durch den Kopf geistern, obwohl man noch vor wenigen Sekunden in absoluter Todesgefahr war. Kokoschansky fällt nichts Gescheiteres ein als bei nächster Gelegenheit das Losungswort in ein unverfänglicheres umzuändern. Vielleicht Relativitäts­t heorie? Sein Rückgrat schmerzt höllisch, aber deshalb wird er jetzt kein großes Tamtam veranstalten. Er sieht auf seinen linken Arm. Das Blut des Bankräubers hat seinen Jackenärmel versaut. Unwichtig. Besser sein Blut als das eigene am Boden und tot.
    „Jemand verletzt?“, fragt der Polizist. „Außer ihm ...?“ Dabei deutet er auf den Security-Mann, der immer noch bewusstlos ist.
    Eine Bankangestellte zeigt auf die alte Frau, die nun wieder leise zu wimmern beginnt. Eine weitere Kollegin kümmert sich um die Kassiererin, hält sie wie ein Baby im Arm, versucht die völlig aufgelöste Frau zu beru higen und zu trösten. Nach und nach erheben sich die Kunden schreckensbleich und die Bankangestellten bemühen sich, nach außen hin ruhig zu wirken. In wenigen Minuten wird es hier von Rettungskräften und Polizei wimmeln.
    Endlich, endlich stellt sich auch bei Kokoschansky dieses Glücksgefüh l ein oder ist es Dankbarkeit? Jedenfalls macht sich eine wohlige Wärme in ihm breit, selbst das lädierte Rückgrat ist momentan nicht zu spüren. Es ist eine Art Euphorie diesen Überfall unverletzt überstanden zu haben. Für einen Moment schließt Kokoschansky die Augen, sagt leise „Danke“ und sein Blick geht kurz nach oben.
    „Jetzt kommt der Dicke doch noch zu seinem Geld“, murmelt er und muss dabei lächeln. Mit einem tiefen Seufzer zündet er sich eine Zigarette an. Während er genüsslich den ersten Zug macht, den Rauch tief inhaliert und wieder durch Nase und Mund ausströmen lässt, tippt
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