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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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Mitarbeiter der Städtischen Bestattung tragen den grauen Blechsarg mit der Leiche des Bankräubers au s der Filiale zur Überführung in die Gerichtsmedizin.
    Eine Woche nach dem Überfall wird die Alte an den Folgen des erlittenen Oberschenkelhalsbruches sterben. Der niedergeschlagene Aufpasser erlitt schwerste Schädelverletzungen, wird noch Wochen in einem künstlichen Koma bleiben müssen, und keiner seiner Ärzte weiß, ob er nicht Folge­s chäden davontragen wird.
    „Ich kann dich zwar ganz gut leiden“, hört Kokoschansky hinter sich eine vertraute Stimme, „aber wo du bist, ist der Ärger vorprogrammiert.“
    Grinsend dreht sich Kokoschansky um.
    „Du auch hier?“, fragt er gespielt erstaunt. „Das ist immer noch mein Revier. Schließlich wohne ich gleich um die Ecke und du bist für die andere Seite der Donau zuständig.“
    „Schon mal was vom eklatanten Personalmangel bei der Wiener Polizei gehört?“, erwidert Chefinspektor Thomas Petranko, Kokoschanskys alter Freund. Gemeinsam hatten sie schon manches Abenteuer durchgestanden.
    „Du musst eine besondere Aura ausstrahlen, Koko“, stichelt Petranko weiter. „Du solltest dich echt mal untersuchen lassen. Irgendwas stimmt mit dir nicht. Kaum hast du dich aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen und schreibst Bücher, geht es nahtlos weiter. Du ziehst trotzdem weiterhin Verbrecher und Verbrechen wie ein Magnet an. Selbst wenn du Wurstsemmeln v erkaufen würdest, wäre man vor dir nicht sicher. Lass dich in eine Klinik einweisen. Psychiater, Psychologen und was weiß ich, was es noch alles an Therapeuten gibt, sollen dich ordentlich durchleuchten. Du bist sicher ei n lohnendes Objekt für mehrere Dissertationen.
    „Bist du jetzt fertig?“ Obwohl Kokoschansky seinen Freund sehr gut kennt und einzuschätzen weiß, ist er sich im Moment nicht sicher, ob diese Tirade nur einer von Petrankos Scherzen ist oder er es tatsächlich ernst meint . Irgendwie ist sich der Journalist selbst unheimlich, wenn er Bilanz zieht. Anscheinend besitzt er diese fatale Gabe, sei es nun Privileg oder Fluch, meist zur Unzeit am falschen Ort zu sein. Entweder stolpert er über eine Leiche, bekommt Wind von einer Straftat oder ist Zeuge eines Verbrechens. Dass heute eine Leiche auf ihm lag, ist eine neue Variante. „Du bist un dankbar“, versucht der Journalist die für ihn unklare Situation zu überspielen und untermauert es mit dem für ihn typischen zynischen Grinsen. „Schließ­lich sorge ich in diesen Krisenzeiten für deine Auslastung. Durch mich bis t du ständig beschäftigt und auf Trab. Daher musst du auch nicht um deinen Job bangen und wirst nicht wegrationalisiert.“
    „Such dir einen Finger aus ...“, Petranko hält ihm seine rechte Hand unter die Nase, „... und sag ‘Stopp’.“ Ein blöder Witz um den Stinkefinger anzukündigen. Doch keine Missstimmung, nur das übliche Geplänkel zwischen den beiden.
    „Sind wir heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden?“
    „Ich war noch nicht einmal richtig im Bett. Unsere gusseiserne Lady, die Frau Innenministerin und unsere Polizeiführung meinen, dass mit ständige n Großrazzien und Kontrollen die Kriminalität, die uns aus dem ehemaligen Ostblock überrollt, einzudämmen ist. Schreibtischtäter sind oft die gefähr­licheren Kriminellen ...“ Petrankos zerknautschtes und unrasiertes Gesicht spricht Bände. „... und außerdem, damit du’s weißt, bekam ich heute früh einen Anruf von meiner Hausbank …“
    „Der Kredit wurde nicht bewilligt.“
    „Ah, jetzt bist du auch noch zum Hellseher geworden. Hanussen für Arme oder wie? Genügen dir deine Leichen nicht mehr? Ja, genau so ist es. Das muss ich erst einmal meiner Frau schonend beibringen. Kein neues Auto, keine neue Wohnzimmereinrichtung. Jetzt bin ich auch noch zu diesem Scheißbanküberfall wie die Jungfrau zum Kind gekommen, und der Tag ist endgültig verschissen, kaum dass er begonnen hat. Zumindest brauchen wir nicht mehr nach dem Täter zu fahnden, der blöde Hund hat sich gleich umnieten lassen. Ist dir etwas aufgefallen, was auch mich interessieren könnte?“
    Kokoschansky schildert in knappen Sätzen das gerade Erlebte, verleugnet auch die brenzlige Situation mit seinem Losungswort nicht, was Petranko trocken kommentiert: „Typisch Kokoschansky“.
    „Ich vermute“, sagt der Journalist, „suicide by cop.“
    „Was?“
    „Noch nie gehört?“
    „Sicher. Bin in diesem Geschäft nicht erst seit gestern. Aber wie komm st du
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