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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag
Autoren: Günther Zäuner
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gegenseitigen Nutzen bilden, hackt selbstverständlich eine Krähe der anderen kein Auge aus. Es sei denn, man ist aus bestimmten Gründen in Ungnade gefallen. Dann wird der Betreffende schonungslos geopfert, um die bequemen früheren und vor allem lukrativen Verhältniss e wiederherzustellen. Wer es noch nicht bis nach oben geschafft hat oder gera de auf dem Weg dorthin ist, wird sich hüten kritische Töne anzuschlagen. Daher ist in Österreich ein zahnloser pseudokritischer Journalismus eingerissen, der nichts als eine große, aalglatte Lüge ist. Nur wer schon am Boden liegt und kaum mehr in der Lage ist sich zu wehren, auf den wird feige und gnadenlos eingeprügelt. Deshalb erfährt die Yellow Press in Österreich einen ungeheuren Aufschwung. Wer mit wem wo gesehen wurde; wer mit wem es gerade treibt; welche Unter­wäsche „in“ und welche Sexpraktiken „out“ sind.
    In Wahrheit zieht im Hintergrund ein greiser, schwerreicher Mann mit seiner auflagenstärksten Tageszeitung in Österreich die Fäden. Der Bundes­kanzler und die Regierung sind bloß Marionetten in seinem Staatspuppen­ theater und Ohnmachtserhalter. Der Bundespräsident darf präsentieren, z u sagen hat er nichts. Was in der Kronen-Zeitung steht wird vom Volk größtenteils blind gefressen. Die übrigen Zeitungen dümpeln vor sich hin. Den Magazinsektor dominiert ein einziger Konzern, wobei den einzelnen Machern journalistischer Biss fehlt. Es reicht, jeweils nur ein Produkt aus diesem Medienhaus zu lesen, da sich die Berichte in den anderen Druckwerk en in abgewandelter Form wieder finden.
    Das staatliche Fernsehen wird, zum Leidwesen des Publikums, das für schlechte Programme noch kräftig zur Kasse gebeten wird, von einer Rieg e unfähiger Manager geleitet. Dafür schreibt sich diese Fernsehanstalt Unabhängigkeit auf die Fahne und wird nicht müde, das auch bei jeder Gelegenheit öffentlich kundzutun. Bei der Postenvergabe in den höheren Etagen muss allerdings die Politik zu jedem Anwärter auch ihren Sanctus geben. Die wenigen Privatsender, die in diesem Land existieren, führen einen vergeblichen Kampf gegen Windmühlen.
    Das war nie Kokoschanskys Verständnis von Journalismus. Daher verl egte er sich seit geraumer Zeit auf die Schriftstellerei. Für ihn das letzte Ventil Unabhängigkeit zu bewahren, ohne gegängelt zu werden. In einem seiner letzten Bücher über die österreichische Unterwelt passten ein paar Sätze zwei Albanern nicht. Ausgerechnet die beiden, Vater und Sohn, die Köpfe der albanischen Mafia in Wien, erstatteten Anzeige wegen Verleumdu ng gegen den Journalisten.
    Die Albaner steuern eine kleine kriminelle Enklave von Landsleuten in der österreichischen Hauptstadt. Wahrscheinlich fühlen sich Vater und Sohn durch die kurze, sie betreffende Passage in dem Buch an ihrer Ganovenehre gepackt, weil Kokoschansky sie als Randfiguren innerhalb der Wiener Rot­ lichtszene bezeichnet. Nachdem der Journalist die Vorladung zur Vernehm ung erhalten hatte, verständigte er einige seiner Vertrauten im Bundes­kriminalamt und bei der Kriminalpolizei und löste damit Lachstürme aus. Natürlich sind diese beiden Albaner keine unbeschriebenen Blätter und haben einiges auf dem Kerbholz.
    Kokoschansky stört weder die Vernehmung – schließlich ist das für ihn keine Premiere – noch fürchtet er sich vor einem etwaigen Prozess. Auch darin besitzt er genügend Erfahrung. Abgesehen davon, verfügt er über aus­reichend Material, um den beiden im entscheidenden Moment ein Bein stellen zu können. Genauso sehen es seine Freunde unter den Kriminalbeamten.
    Im Grunde eine lächerliche Farce, die jedoch von besonderer Unver­frorenheit ist. Dennoch bleibt Kokoschansky vorsichtig, weiß er doch, dass die beiden nur vorgeschoben sind und ein ganz anderer dahintersteckt. Selbst wenn die Sache im Sande verläuft, wovon Koko ausgeht, ist noch lange nicht alles ausgestanden. In der Unterwelt gelten andere Gesetze. Dann hätten die Albaner ihr Gesicht verloren. Bestimmt würden sie auf Rache sinnen und ein Schlägertrupp ist schnell organisiert.
    Kokoschansky schlurft Richtung Küche, vorbei an seinem Arbeitszimmer, wo die auf dem Schreibtisch bereitliegende und ausgefüllte Bankanweisung an das Finanzamt nahezu magnetisch seinen Blick anzieht.

    Eine Stunde später
    Geduscht und frisch rasiert, zwei Kaffee und ein hinuntergewürgtes Bröt chen intus, drei Zigaretten verraucht, aber keineswegs besser aufgelegt, trabt Heinz Kokoschansky, die
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