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Das Geheimnis der Diva

Das Geheimnis der Diva

Titel: Das Geheimnis der Diva
Autoren: Astrid Vollenbruch
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Also was denn nun?
    »Vorsicht, Peter!«, schrie Justus Jonas und sprang nach vorne.
    Es war schon zu spät. Das linke Drittel des Sherwood Forest neigte sich, legte sich immer stärker zur Seite und rutschte von der Gabel des Gabelstaplers hinab. Mit einem schauerlichen Geräusch zersplitterte das bemalte Sperrholz, als das ganze riesige Gemälde auf dem Boden aufschlug. »Willkommen in unserem kompetenten Fachteam«, kommentierte Bob Andrews trocken. »Peter, sagtest du nicht gerade eben, du könntest mit einem Gabelstapler umgehen?«
    »Bis gerade eben dachte ich das eigentlich auch.« Peter Shaw, der Dritte im Bunde, beugte sich aus dem Führerhaus des Gabelstaplers und schaute sich das Unheil betreten an. Zwei Teile der drei mal neun Meter langen, auseinandergeschraubten Theaterkulisse lagen noch auf der Ladefläche des gemieteten Lastwagens. Das noch fehlende Drittel hatte sich soeben in einen Haufen praktisches Brennholz verwandelt. »Hoffentlich hat dein Onkel das nicht bemerkt, Just.«
    Justus warf einen Blick zu dem Schuppen hinüber, in dem das Büro seines Onkels Titus Jonas untergebracht war. Dort rührte sich nichts. »Dann wäre er jetzt schon hier. Vielleicht haben wir Glück – wenn er über der Buchhaltung sitzt, hört und sieht er normalerweise nichts.«
    »Aber was machen wir jetzt?«, fragte Peter nervös. »Können wir das Teil irgendwie verschwinden lassen?«
    »Und wo?«, fragte Bob. »Hier?« Seine weit ausholende Handbewegung umfasste den gesamten Hof des Gebrauchtwarencenters mit seinen Bergen von Trödel und Schrott. »Oder in unserer Freiluftwerkstatt, die so vollgestopft ist, dass wir nicht mal mehr unsere alte Druckerpresse wiederfinden? Oder vielleicht in der Zentrale – als Wandgemälde, an dem wir uns bei jeder Bewegung irgendwelche Schlagadern aufreißen?«
    »Vielleicht im Wohnzimmer deiner Eltern.« Justus grinste. »Deine Mutter hat doch etwas für Kunst übrig.«
    »Auf jeden Fall. Vor allem für ein Rudel überdimensionierter röhrender Hirsche in ihrem Wohnzimmer. Nein danke. Wenn irgendwer das Teil entsorgen muss, dann doch bitte Peter – er hat es ja schließlich auch kaputt gemacht.«
    »Von wegen!«, rief Peter hitzig. »Wenn ihr es anständig festgehalten hättet, wie ich es gesagt hatte –«
    »Wir räumen es erst einmal zur Seite«, unterbrach Justus. »Der Lastwagen ist noch halb voll. Also weiter, Kollegen.«
    Zu dritt schleppten sie die zerbrochene Kulisse quer über den Hof und lehnten sie – hinter dem Schrottberg und außer Sichtweite von Onkel Titus’ Büro – gegen den hohen Bretterzaun, der das Gelände umgab. Dann machten sie sich daran, die restliche Ladefläche des Lkws abzuräumen.
    Vor drei Tagen hatte Justus’ Onkel erfahren, dass das alte Stadttheater von Rocky Beach Teile seines Kulissen- und Requisitenbestandes zum Verkauf anbot. Als ehemaliger Zirkusmitarbeiter konnte Titus Jonas an nichts vorbeigehen, das nach Theater, Bühne oder Manege roch. Also hatte er kurzerhand den gesamten Krempel gekauft und heute abgeholt. Und so kamen beim Entladen des Lastwagens einige seltsame Dinge zum Vorschein: Heldenbüsten aus Pappmaschee, Flaschen mit Sollbruchstellen, Schneiderpuppen in uralten Kostümen, mottenzerfressene Bärenfelle als Kaminvorleger, unzählige alte Taschen, Bücher ohne Inhalt und viele andere Gegenstände, die jahrelang im Requisitenkeller des Stadttheaters gelegen hatten und entsprechend muffig rochen. Und dazu kamen noch weitere sechs Kulissen aus Sperrholz und bemalter Leinwand: ein römisches Amphitheater, ein alter Kaiserpalast, das Innere eines Zirkuszeltes, ein bürgerliches europäisches Wohnzimmer, ein tobendes Meer und eine brennende Stadt. All diese Dinge wuchteten Justus, Peter und Bob unter der sengenden Sonne Kaliforniens vom Lastwagen, der auf der Straße stand und mit seiner sperrigen Ladung den Verkehr behinderte. Zum Glück war hier oben in den Seitenstraßen des am Berg gelegenen Küstenortes Rocky Beach nie besonders viel los.
    Es war harte Arbeit, und nur der Gedanke an die Entlohnung machte sie einigermaßen erträglich. Onkel Titus hatte den drei Jungen fünfzig Dollar versprochen, die sie dringend für eine Reparatur an Bobs Auto brauchten.
    Sie hatten gerade die vorletzte Kulisse von der Ladefläche gehoben, als ein blauer Lieferwagen um die Ecke bog. Zielstrebig fuhr er auf den Lkw zu. Kaum zehn Meter entfernt trat der Fahrer hart auf die Bremse und brachte den Wagen zum Stehen. Fahrer und Beifahrer sprangen
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