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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell
Autoren: Allerheiligen
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ausgeliefert hätte. Harald, der zu Konstantins und Floras Füßen lag, sprang plötzlich auf. Sein Knebel war verrutscht. Er stieß einen Schrei aus. Sein linker Arm war blutüberströmt, aber er war an den rechten gefesselt, und so gab Harald Konstantin mit beiden Fäusten einen Stoß, in dem sein ganzes Körpergewicht lag.
    Flora schrie auf. Der Revolver wirbelte davon. Konstantin prallte gegen die niedrige Fensterbrüstung und kippte nach hinten. Sein linker Arm, mit dem er Flora noch immer an sich gedrückt hatte, rutschte ab, doch er krallte sich an dem Gürtel fest, den sie über ihrem langen Mittelalterkleid trug – und zog sie mit hinaus.
80 .
    Später fragte Peter sich, wie er es geschafft hatte, das Paketband zu erwischen, mit dem Floras Handgelenke zusammengebunden waren.
    Der Ruck riss ihm fast den Arm aus dem Schultergelenk. Er hätte mit hinausfallen müssen, aber das geschah nicht. Mit unsäglicher Mühe wandte er den Kopf und stellte fest, dass ihn einer der eisernen Haken gerettet hatte, die früher einmal den Balken vor dem Fensterladen gehalten hatten. Der Haken hatte ein paar von den Ringen des Kettenhemds aufgebogen, war daruntergerutscht und hatte sich dann mit einem zweiten Ruck darin verfangen, direkt unter Peters rechter Achsel.
    Floras Blick hielt seinen fest.
    »Ich … hab … dich«, brachte er ächzend hervor. Feuer brannte in seinem Schultergelenk, in seinem Handgelenk, überall in seinem Oberkörper. Die Ringe des Kettenhemds bissen in seinen Hals. Langsam bogen sich seine Finger auf, und mit einem viel kleineren Ruck, der schlimmer schmerzte als die beiden großen, rissen weitere Ringe des Kettenhemds auf und ließen Peter eine Handbreit nach draußen rutschen.
    Peter hatte keine Chance. Immer weiter gaben seine Finger nach.
    »Lassen Sie sie los«, sagte er zu Konstantin, der mit einer Hand an Floras Gürtel hing und ebenso entsetzt nach oben starrte wie Flora. Konstantin reagierte nicht. Peter wusste, dass sein Widersacher nicht loslassen würde. Das grelle Licht des Scheinwerfers von gegenüber beleuchtete die Szene wie den letzten Akt auf der Bühne eines Theaters.
    »Peter …«, flüsterte Flora. »Lass mich nicht fallen.«
    Peter warf den Kopf zurück. Der Schmerz war nahezu unerträglich. Er schaffte es, die linke Faust, die das Paketband zwischen Floras Handgelenken umklammert hatte, noch einmal zu schließen, doch seine Finger gaben sofort wieder nach. »Harald!«, stieß er hervor. »Helfen Sie mir!«
    Er hörte, wie Harald stöhnend auf die Beine kam, spürte, wie er sich neben ihm auf die Brüstung lehnte. Er drehte den Kopf und schielte über die Schulter zu ihm. Was er sah, versetzte ihm den nächsten Schock.
    Harald hatte den Revolver, den Konstantin verloren hatte, aufgehoben und hielt ihn mit seinen gefesselten Händen. Er zielte auf Konstantin. »Hab dich!«, murmelte er. Es schien, dass er gar nicht wahrnahm, in welcher Lage Peter und Flora waren. Er drückte ab. Der Hahn des Revolvers bewegte sich nicht. Die Waffe war immer noch gesichert. Harald sackte in sich zusammen.
    Vom Platz vor dem Turm tief unten stieg ein Schrei empor. Jemand musste hochgeblickt und sie entdeckt haben.
    Die Ringe des Kettenhemds gaben endgültig nach.
81 .
    Ein schweres Gewicht fiel auf Peter und presste die Luft aus ihm heraus. Ein Arm schoss an ihm vorbei, eine Hand packte das Paketband zwischen Floras Handgelenken und quetschte Peters Finger zusammen. Peter wurde bewusst, dass weder er noch sie fielen. Der Zug, der an seinem linken Arm zerrte, ließ nach, als ob die zweite, rettende Hand einen großen Teil des Gewichts übernahm. Weitere Hände hielten ihn an seinem Schwertgurt und bewahrten ihn vor dem Absturz.
    Er merkte, dass er weiterhin in Floras Augen starrte. Und dann fiel ihm auf, dass Floras Gürtel gerissen war und ihr Kleid im Wind flatterte.
    Eine Stimme, die er als die von Robert Kalp erkannte, keuchte in sein Ohr: »Wir ziehen euch jetzt rein.«
    »Ich hab dich«, hörte er sich zu Flora sagen, und ein Teil seines Bewusstseins konstatierte nüchtern: Schockzustand.
    »Ja«, sagte sie. »Du hast mich.«
    Er hatte sie, und er ließ sie nicht los, bis sie beide wieder im Inneren des Turms waren und die dunkelhaarige Polizistin aus Roberts Team seine Finger aufbog, damit man das Paketband von Floras aufgerissenen Handgelenken schneiden konnte. In der Türöffnung zur Türmerstube stand ein Mann, dessen Atem pfiff und dessen Gesicht so rot war, dass sein grelloranges
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