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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt
Autoren: Jules Verne
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Großartiges mehr existirt, nur zu natürlich. Auch in den Augen des Officiersburschen galt der Montmartre als der einzige ernsthafte Berg in der Welt und das Quartier dieses Namens setzte sich für seine Anschauung aus allen Weltwundern zusammen. Ben-Zouf war auch gereist. Hörte man ihn reden, so hatte er in jedem beliebigen Lande nur lauter Montmartres gesehen, die vielleicht etwas höher sein mochten, aber jedenfalls minder pittoresk waren, als sein Berg in der Heimat. Besitzt der Montmartre nicht thatsächlich eine Kirche, die der Kathedrale von Burgos die Wage hält? Nicht Marmorbrüche, die denen des Penthelicon nicht nachgeben? Eine Wasserfläche, welche das Mittelmeer zur Eifersucht reizt? Eine Mühle, welche nicht nur gemeines Mehl, sondern auch die weitberühmten Brotkuchen liefert? Den Solferinothurm, der wahrhaftig gerader steht, als jener Thurm in Pisa?
     

    Ben-Zouf.
     
    Einen Rest von Wäldern, die beim Einfalle der Kelten gewiß noch jungfräuliche Wälder zu nennen waren? Und endlich einen Berg, ja, einen wirklichen, leibhaftigen Berg, den nur Neid und Mißgunst durch den entehrenden Namen »Erdhaufen« zu erniedrigen versuchen konnten? Ben-Zouf hätte sich eher in Stücke hacken lassen, ehe er zugegeben hätte, daß dieser »Berg« nicht 5000 Meter hoch wäre.
    Wo auf dem weiten Erdboden könnte man so viele Wunder auf einen einzigen Punkt vereinigt wieder finden?
    »Nirgends, nirgends!« behauptete Ben-Zouf gegenüber Jedem, der seine Ansichten etwas übertrieben fand.
    Bei dieser gewiß unschuldigen Manie beherrschte Ben-Zouf nur eine Sehnsucht, einmal nach dem Montmartre zurückzukehren, um seine Tage auf dem Erdhügel zu schließen, auf dem sie einst einmal begonnen hatten – natürlich mit seinem Kapitän, das verstand sich von selbst. Auch Hector Servadac’s Ohren hallten unausgesetzt wieder von den unvergleichlichen Wundern des XVIII. Arrondissements von Paris und wurden ihm allmälig zum Schrecken.
    Indeß, Ben-Zouf zweifelte niemals an der endlichen Bekehrung seines Herrn und beharrte bei dem Entschlusse, jenen nun und nimmer zu verlassen. Seine Dienstzeit war abgelaufen. Er hatte schon zweimal den Abschied erhalten und wollte im Alter von achtundzwanzig Jahren den Dienst verlassen, ein einfacher berittener Jäger erster Klasse vom 8. Regiment, als er zur Ordonnanz Hector Servadac’s erhoben wurde. Er zog mit seinem Herrn in’s Feld. Er schlug sich mehrmals an seiner Seite, und zwar mit solcher Auszeichnung, daß ihm ein Kreuz verliehen werden sollte; er schlug das aber aus, um als Ordonnanz bei seinem Kapitän bleiben zu können. Rettete Hector Servadac in Japan einst Ben-Zouf das Leben, so vergalt ihm Ben-Zouf diesen Liebesdienst in dem Feldzuge von Sudan. Das sind Sachen, welche sich nun und nimmermehr vergessen lassen.
    Kurz, das ist der Grund, weshalb Ben-Zouf dem Dienste bei seinem Stabsofficier zwei »durch und durch gehärtete« Arme widmete; eine durch alle Klimate erprobte Gesundheit von Eisen; eine physische Kraft, die ihm gewiß das Prädicat »das Bollwerk des Montmartre« erworben hätte, und endlich ein Herz, das Alles wagte, und eine Ergebenheit, die Alles ausführte.
    Hier sei auch erwähnt, daß, wenn Ben-Zouf auch nicht für einen Dichter, wie sein Herr, gelten konnte, er doch eine lebendige Encyklopädie darstellte, eine unerschöpfliche Buchsammlung aller unsinnigen Redensarten und aller Possenstreiche des Soldatenhandwerks. Nach dieser Seite besiegte er leicht Jedermann, da sein wunderbares Gedächtniß ihm die Witze und Spottreden gleich dutzendweise lieferte.
    Kapitän Servadac kannte den Werth seines Mannes. Er schätzte ihn und sah seiner Montmartre-Manie durch die Finger, da sie der ungetrübte Humor der Ordonnanz meist erträglicher erscheinen ließ; bei Gelegenheit wußte er ihm auch Sachen zu sagen, die den Diener nur noch unlösbarer an den Herrn zu fesseln pflegen.
    Eines Tages, als Ben-Zouf so recht gemüthlich im Sattel saß und sein Steckenpferd weidlich im XVIII. Arrondissement herumtummelte, begann der Kapitän:
    »Weißt Du wohl, Ben-Zouf wenn der Montmartre nur 4705 Meter höher wäre, daß er dann sogar den Montblanc erreichte?«
    Bei dieser Bemerkung schossen des ehrlichen Burschen Augen zwei Blitze der innigsten Befriedigung und von dem Tage ab verschmolzen der heimatliche Erdhügel und der Kapitän in seinem Herzen zu einer anbetungswürdigen Vorstellung.
Drittes Capitel.
Worin man sieht, wie die dichterische Begeisterung Kapitän
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