Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
doch mit so gutem Erfolge absolvirt, daß er in den Generalstab Eintritt fand. Er zeichnete ziemlich gut, saß bewunderungswürdig zu Pferde, ja selbst der sonst unübertroffene Springer der Manège von St.-Cyr, der Nachfolger des weitberühmten Onkel Tom, hatte in ihm seinen Meister gefunden. Seine Dienstzeugnisse meldeten, daß er mehrmals in den Tagesbefehlen erwähnt worden war – jedenfalls nur ein Act der Gerechtigkeit.
    Man erzählte sich folgenden Zug von ihm:
    In einem Laufgraben führte er einmal eine Abtheilung Jäger zu Fuß. An einer Stelle hatte die von Geschossen durchwühlte Schulterwehr vor dem Graben nachgegeben und bot den Soldaten keine hinreichende Deckung mehr gegen den Kugelregen. Jene zauderten vorüber zu marschiren. Da stieg Kapitän Servadac aus dem Graben herauf und legte sich quer vor die Bresche, welche er gerade mit seinem Leibe ausfüllte.
    »Nun, marsch vorüber!« commandirte er.
    Die Compagnie zog inmitten des heftigsten Gewehrfeuers vorbei; der muthige Stabsofficier blieb unverletzt.
    Seit seinem Austritt aus der Schule für praktische Ausbildung diente Hector Servadac, mit Ausnahme der beiden Feldzüge in Sudan und Japan, ununterbrochen in Algier. Zur Zeit functionirte er als Officier beim Stabe der Subdivision von Mostagenem. Betraut mit mehreren topographischen Aufnahmen der Küstenstrecke zwischen Tenez und der Mündung des Cheliff, bewohnte er den erwähnten Gourbi, der ihm wohl oder übel Obdach gewährte. Er war indeß nicht der Mann, sich wegen Kleinigkeiten graue Haare wachsen zu lassen. Er liebte es, in der freien Gotteslust und derjenigen Freiheit zu leben, die einem Officier eben nachgelassen ist. Bald mühte er sich zu Fuß durch den Sand der flachen Ufer, bald strich er zu Pferde über andere Küstenstrecken, jedenfalls beeilte er sich aber nicht über die Maßen mit der ihm zugetheilten Arbeit.
    Dieses so gut wie unabhängige Leben sagte ihm besonders zu. Dazu nahm ihn seine Beschäftigung nicht so unausgesetzt in Anspruch, daß es ihm nicht möglich geworden wäre, wöchentlich zwei-oder dreimal die Eisenbahn zu benützen, um entweder zu den Empfangsabenden des Generals in Oran oder bei den Festlichkeiten des Gouverneurs in Algier zu erscheinen.
    Bei einer solchen Veranlassung sah er zum ersten Male auch Madame von L…, der jenes prächtige Rondeau, von welchem freilich nur die ersten vier Zeilen das Licht der Welt erblickt hatten, gewidmet werden sollte. Jene junge, schöne, sehr zurückhaltende, ja vielleicht etwas hochmüthig stolze Frau, die Witwe eines Obersten, bemerkte die ihr dargebrachten Huldigungen entweder wirklich nicht oder wollte sie nicht beachten. Auch Kapitän Servadac hatte sich noch zu keiner Erklärung ermuthigt gefühlt, trotz seiner Kenntniß mehrerer Rivalen, zu denen, wie der Leser nun wohl errieth, auch jener Graf Timascheff gehörte. Eben diese Wettbewerbung hatte den beiden Gegnern jetzt, ohne daß die junge Frau davon das Geringste ahnte, die Waffen in die Hände gegeben. Wie uns bekannt, war ihr Name bei dieser Affaire auch völlig außer dem Spiele geblieben.
    Mit Hector Servadac hauste in dem Gourbi dessen Ordonnanz, Ben-Zouf.
    Dieser Ben-Zouf war dem Officier, bei dem er die Ehre hatte, als »Bursche« zu dienen, mit Leib und Seele ergeben. Zwischen der Stellung eines Adjutanten beim General-Gouverneur von Algier und der einer Ordonnanz bei Kapitän Servadac wäre ihm die Wahl nie schwer geworden. Wenn er aber in Bezug auf seine Person jedes Ehrgeizes ermangelte, so war das doch ganz anders bezüglich seines Officiers, und jeden Morgen unterwarf er die Uniform seines Herrn der sorgsamsten, eingehendsten Musterung.
    Sein Name Ben-Zouf könnte zu der Annahme verleiten, daß dessen Träger ein Landesabkömmling aus Algier wäre. Nicht im mindesten. Es war jenes nur ein Zuname. Warum nannte man den Burschen, der ursprünglich Laurent hieß, aber Zouf? – Warum Ben, da er doch aus Paris und noch dazu vom Montmartre stammte? Das ist so eine jener Sprachanomalien, welche auch die gelehrtesten Etymologen niemals zu ergründen vermögen.
    Ben-Zouf entsproß nun nicht allein dem Quartier Montmartre, sondern speciell dem berühmten Erdhügel dieses Namens, da er seiner Zeit zwischen dem Solferinothurm und der Galette-Mühle das Licht der Welt erblickte. Hatte man aber das Glück, unter solchen exceptionellen Verhältnissen geboren zu werden, so erscheint eine rückhaltslose Bewunderung seines Geburtshügels, neben dem in der Welt nichts
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher