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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt
Autoren: Jules Verne
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würdige Person zu lieben, dieses »auf die einfachste Weise von der Welt« geschehen müsse. Ob diese Aphorisme viel Wahrheit enthalte oder nicht, darüber grämte sich Kapitän Servadac nicht im Mindesten; er reimte eben, um Verse zu machen.
    »Ja, ja! murmelte er, während die Ordonnanz schweigsam an seiner Seite dahin trottete, ein tiefgefühltes Rondeau verfehlt nie seinen Zweck. Sie sind rar, diese Rondeaus, hier an der Küste Algiers, und das meinige wird deshalb hoffentlich eine desto bessere Aufnahme finden!«
    Und der Dichter-Kapitän begann folgendermaßen:
     
    Bei Gott! Wenn innig liebt der Mann,
    Ist es voll Einfachheit …
     
    »Ja wohl! Einfach, d.h. ehrlich, sowohl dem winkenden Ehebunde, als auch mir gegenüber, der so zu Ihnen spricht … Ja, zum Teufel, das reimt sich aber nicht! Die fatalen Reime auf ›an‹ sind doch recht unbequem. Eine sonderbare Idee, daß ich mein Rondeau gerade so anfangen mußte. He! Ben-Zouf!«
    Ben-Zouf war die Ordonnanz des Kapitän Servadac.
    »Herr Kapitän, erwiderte Ben-Zouf.
    – Hast Du wohl manchmal Verse gemacht?
    – Nein, Herr Kapitän, aber ich habe welche machen sehen.
    – Von wem?
    – Nun, in der Bude einer Hellseherin, eines Abends, bei einem Feste auf dem Montmartre.
    – Und hast Du sie wohl noch im Kopfe?
    – Gewiß, hören Sie, Herr Kapitän:
     
    Herein! Das höchste Glück hier blüht,
    ‘s reut Keinem, der’s probirt.
    Denn die ihr liebt, hier Jeder sieht,
    Und die geliebt er wird!
     
    – Mordio, Deine Verse sind aber abscheulich!
    – Das kommt daher, weil ihnen die Begleitung einer Flöte fehlt, mein Kapitän! Sonst wären sie gewiß so gut wie viele andere.
    – Schweig still, Ben-Zouf! rief Hector Servadac, schweig still. Jetzt finde ich eben den dritten und vierten Reim!
     
    Bei Gott! Wenn innig liebt der Mann,
    Ist’s voller Einfachheit ….
    Vertrau’ Dich mehr der Liebe an,
    Als selbst dem Eid!«
     
    Weiter vermochte den Kapitän Servadac aber nicht die größte poetische Anstrengung vorwärts zu bringen, und als er gegen sechs Uhr seinen Gourbi erreichte, stand er noch immer bei seinem ersten Quatrain.
Zweites Capitel.
In welchem Kapitän Servadac und seine Ordonnanz Ben-Zouf körperlich und geistig photographirt werden.
    In der Officiersliste des Kriegsministeriums für jenes Jahr, von dem wir sprechen, konnte man lesen:
    »Servadac (Hector), geb. am 19. Juli 18.. in St. Trelody, Canton und Arrondissement Lespare, Departement der Gironde.
    Vermögensverhältnisse: 1200 Francs Rente.
    Dienstzeit: 14 Jahre, 3 Monate, 5 Tage.
    Specialisirung des Dienstes und etwaiger Feldzüge: Schule von St.-Cyr: 2 Jahre. Schule für praktische Ausbildung: 2 Jahre. Beim 87. Linienregimente: 2 Jahre. Beim 3 Jägerregimente: 2 Jahre. In Algier: 7 Jahre. Feldzug in Sudan. Feldzug in Japan.
    Rang: Kapitän des Generalstabes in Mostagenem.
    Decorationen: Ritter der Ehrenlegion am 13. März 18..«
    Hector Servadac zählte dreißig Jahre. Eine Waise, ohne Familie, fast ohne Vermögen, ehrgeizig, etwas Tollkopf, voll Mutterwitz, immer bereit zum Angriff wie zur schlagenden Vertheidigung, edelmüthig, tapfer, offenbar ein Schützling des Gottes der Schlachten, dem er freilich manche Angst machte für einen Sprößling seiner Heimat nicht gerade ein Schwätzer, zwanzig Monate genährt von einer kräftigen Winzerin, ein leibhaftiger Abkömmling jener Helden, welche zur Zeit der kriegerischen Großthaten blühten – das war, nach geistiger Seite, unser Kapitän Servadac, einer jener liebenswürdigen Leutchen, welche die Natur schon zu Außerordentlichem bestimmt zu haben scheint, und an deren Wiege die Fee der Abenteuer und die des glücklichen Erfolges Pathenstelle vertraten.
    Aeußerlich repräsentirte Hector Servadac einen hübschen Officier: 5 Fuß 6 Zoll groß, schlank und graziös, natürliche dunkle Locken, schöne Hände und proportionirte Füße, wohlgepflegter Schnurrbart, blaue Augen mit offenem Blicke, mit einem Worte, geschaffen zu gefallen, und gefallend, ohne sich darauf besonders etwas einzubilden.
    Wir müssen zugeben, daß Hector Servadac, der es übrigens offen eingestand, nicht klüger war, als eben nothwendig. »Wir treiben keine Thorheiten!« sagen gern die Officiere der Artillerie. Bei Hector Servadac war das nicht der Fall. Zu mancher Tollheit aufgelegt, war er von Natur Flaneur und schreckenerregender Poet; bei seiner leichten Auffassungsgabe und der Gewandtheit, sich Alles ohne Anstrengung zu assimiliren, hatte er seine Vorschule
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