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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten
Autoren: Shannon Drake
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nüchtern fest. »Ich habe Louisa aufrichtig geliebt, aber in all den Jahren habe ich schlicht vergessen, wie anstrengend sie sein kann. Und dann ist mir auch noch eingefallen, dass sie es war, die der Allianz am Hof des Sonnenkönigs meinen Namen verraten hat, nur um ihre eigene Haut zu retten. Das hat mir gehörige Qualen beschert. Trotzdem …« – er kniff die Augen zusammen – »war es nicht ganz so schlimm wie das, was mir Ihr Großvater und Brent Malone angetan haben.«
    Taras Arme schmerzten. Ann war so schwach, dass sie sich nicht aufrecht halten konnte, und sie festzuhalten kostete Tara noch mehr Kraft. Ohne den Blick von Gérard abzuwenden, ließ sie ihre Cousine ins Gras gleiten. Dann zog sie den Pfahl hervor.
    »Wenn Sie nur einen Schritt näher kommen, sind Sie tot!«
    »Das glaube ich nicht.«
    Er machte einen Schritt. Auf einmal tat ihr Arm höllisch weh.
    »Ja, ein Geschöpf mit Geist, Mut und Schönheit! Aber leider eine blutige Anfängerin. Ja, ja, Sie haben sich wacker geschlagen gegen die albernen jungen Geschöpfe und dummen Gauner, die ich geschaffen und aus Gräbern ausgebuddelt habe, um Ihre Stärke und Ihr Talent zu testen. Aber mit einem wie mir hatten Sie bislang noch nicht zu tun.«
    Er machte einen weiteren Schritt. »Ich würde gern ein bisschen raffinierter vorgehen«, meinte er. »Aber leider fehlt mir dazu die Zeit. Wir müssen Ihren Widerstand hier und jetzt brechen, fürchte ich. Was uns die Zukunft bringt, werden wir sehen, sobald ich Ihr köstliches Blut probiert habe«, erklärte er. »Wenn der Hunger groß ist, sättigen wir uns natürlich an allem, was uns über den Weg läuft. Aber eine junge Frau wie Sie … mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen.«
    Sie zitterte am ganzen Körper. Sie fühlte sich so schwach, dass sie kaum den Pfahl halten konnte. Sie wollte nach dem Rest des Weihwassers greifen, doch ihre Arme versagten ihr den Dienst. Sie musste unbedingt den Blick von ihm wenden, doch auch das konnte sie nicht; und er kam näher, immer näher.
    In ihrer Verzweiflung schickte sie ein Stoßgebet gen Him-mel – und tatsächlich gelang es ihr endlich, sich aus seinem Bann zu lösen. Endlich konnte sie den Blick von ihm wenden. In der Linken hielt sie den Pfahl, mit der Rechten tastete sie nach dem Weihwasser.
    Aber es war zu spät. In dem Moment, als sie versuchte, die Spritzpistole auf ihn zu richten, packte er ihre Hand. Sein Griff war so fest, dass er ihr fast die Knochen brach, als er ihr die Spritzpistole abnahm. Ihr blieb nur noch der Pfahl, den sie verzweifelt umklammert hielt, doch auch den entwand er ihr, als wäre sie ein Kind, das mit einem Zauberstab aus Pappe vor ihm herumfuchtelte.
    Dann packte er sie an den Schultern und musterte sie lächelnd, bevor er langsam ihr Haar hob. Sie nahm das letzte bisschen Kraft zusammen und rammte ihm das Knie in die Weichteile.
    Tatsächlich wich er zurück und stieß einen heiseren Wutschrei aus. Doch sogleich stürzte er sich wieder auf sie.
    Aber dann …
    Sie hörten es beide.
    Ein Bellen. Ein Laut, der immer stärker wurde, eine schreckliche Kakofonie, ein Schreien, Kreischen, Heulen, getragen vom Wind.
    Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben.
    Gérard tastete fluchend nach seiner Pistole, ohne Tara loszulassen.
    Und da brachen sie auch schon aus dem dichten Wald hervor. Es schienen Hunderte zu sein – silberne, riesige Geschöpfe. Wölfe – oder doch nicht? Denn während sie sich bewegten, waren sie kaum zu sehen, es war nur eine fließende Bewegung zu erkennen, ein unscharfer Film, eine donnernde Illusion, die sich über die ganze Landschaft ausbreitete.
    Tara kämpfte mit aller Kraft gegen Gérards stählernen Griff. Laut rief sie: »Er hat Silberkugeln, er hat Silberkugeln!«
    Die Wölfe waren wie eine Welle, die heulend, bellend und fauchend den Tod brachte. Sie wälzten sich auf sie zu. Gérard richtete seine Waffe gegen sie, doch Tara schlug den Lauf hoch, sodass die Kugel ins Leere ging.
    In dem Moment war auch schon der erste Wolf bei ihnen. Er war riesengroß, viel größer als Gérard, und brachte ihn mühelos zu Fall.
    »Zur Hölle mit dir! Teufel noch mal, so stirb doch endlich!« hörte Tara Gérard fluchen.
    Sie stolperte davon und versuchte, sich schützend vor Ann zu stellen, während das riesige Wolfsrudel auf sie zustürmte. Sie hörte ein Heulen, Knurren, Schnappen, ein Reißen, als sich Zähne und Klauen in Fleisch gruben, doch keines dieser Wesen kam ihr nahe. Gérards Fluchen ging
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