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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten
Autoren: Shannon Drake
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Prolog
    In den Schützengräben, Deutschland
September 1944
    Eine Granate explodierte, kaum drei Meter vor den Gräben. Obwohl die Männer schon viele Tage und Nächte in ihren Höllenlöchern verbracht hatten, fuhren einige heftig zusammen.
    Andere rührten sich kaum.
    Seit einer Woche hielten sie hier nun die Stellung und warteten auf Verstärkung. Immer wieder hatte es geheißen, dass Luftlandetruppen sie unterstützen würden, doch die hatten sich bislang nicht gezeigt. Manche Männer waren deshalb verbittert, Brandon Ericson aber zuckte nur wortlos die Schultern, wenn sie sich bei ihm beschwerten. Er glaubte fest daran, dass die versprochenen Truppen unterwegs waren.
    Sie hatten sich nur noch nicht bis hierher durchgekämpft. Ericson hatte das unbestimmte Gefühl, dass man die Fallschirmspringer zwar planmäßig losgeschickt hatte, dass sich aber manche in den Bäumen verfangen hatten und andere abgeschossen worden waren, während sich ihre Fallschirme vor dem absurd blauen Himmel blähten. Manche waren wohl bei der Landung umgekommen, und manche darbten in den Gefangenenlagern des Feindes. Sie hatten es bestimmt nicht wegen eines Mangels an Zielstrebigkeit oder Tapferkeit nicht geschafft, sondern nur wegen der brutalen Entschlossenheit eines Gegners, der ganz Europa erobern wollte.
    »Herr im Himmel, das war knapp!« Corporal Ted Myers bekreuzigte sich. Seine blassblauen Augen setzten sich leuchtend gegen den dunklen Schmutz auf seinem Gesicht ab. Neben ihm begann Jimmy Decker zu zittern, und aus dem Zittern wurde plötzlich ein richtiger Krampf. Jimmy warf sich gegen den Erdwall, der sie beschützte, und taumelte wieder zurück.
    »Schafft ihn von der Front weg!«, befahl der Lieutenant ruhig. »Bringt ihn ins Lazarett.«
    »Es gibt kein Lazarett mehr, Lieutenant«, erwiderte Sergeant Walowski, der an dem Erdwall lehnte. Nun glitt er in die Hocke und zog eine Zigarette aus der Tasche. »Ist gestern Nacht eingestürzt.«
    »Die Ärzte haben doch bestimmt einen Notbehelf gezimmert. Myers, schaffen Sie Decker weg«, sagte der Lieutenant noch einmal. Er starrte auf das Terrain vor ihnen. Bald würde die Dämmerung einbrechen, doch bis dahin würden sicher noch weitere Granaten geworfen werden, und dann würde der Gegner direkt angreifen. Ein durchdrehender Soldat war hier nicht zu gebrauchen. Sie hatten die Stellung seit fast zwei Wochen unter widrigsten Umständen gehalten. Das war ihnen nur gelungen, weil die meisten Männer ausgezeichnete Schützen waren. Sie wichen keinen Millimeter, und von ihrer Position aus konnten sie angreifende Truppen hervorragend in Schach halten, selbst die bestens ausgebildeten deutschen Soldaten, die den Befehl hatten, sie zu vernichten.
    Aber das konnte nicht ewig so weitergehen. Die feindlichen Soldaten – viele von ihnen Familienväter wie ihre französischen und amerikanischen Gegenspieler – hatten den Auftrag, ihrem Vaterland das Leben zu opfern, und zwar so viele Leben wie nötig. Nacht für Nacht waren neue Truppen geschickt worden. Selbst wenn auf jeden seiner Männer fünfzig tote Feinde kamen, würden sie irgendwann aufgeben müssen. Es sei denn, sie erhielten Verstärkung, und zwar bald.
    Ein Heulen erschallte.
    »Deckung!«, befahl der Lieutenant. Myers, der mit dem verwirrten Decker losgezogen war, duckte sich und rannte weiter. Die Männer im Graben machten sich so flach wie möglich. Die Granate schlug Gott sei Dank etwas weiter entfernt ein.
    »Bleibt unten!«, warnte der Lieutenant, und tatsächlich folgten der ersten Explosion eine zweite und eine dritte. Beim letzten Einschlag regnete es Erdbrocken auf die Männer herab, aber es waren keine Schmerzensschreie und kein Kreischen zu hören, die auf den nahenden Tod einer der wenigen noch verbliebenen Kameraden gedeutet hätten.
    »Sie kommen bestimmt in der Dämmerung«, warnte der Lieutenant. »Denkt daran, dass die Munition zur Neige geht. Schießt erst, wenn ich den Befehl dazu gebe!«
    »Teufel noch mal, bei dem Staub werden wir nie das Weiße in ihren Augen sehen«, meinte Lansky. Lansky war ein richtiger Veteran, bei Kriegsausbruch war er schon fünfundvierzig gewesen. Er hatte sich trotzdem gemeldet, zwei Tage nachdem sein Sohn in Italien gefallen war. Zu der Zeit war den Anwerbern sein Alter egal gewesen. Er war ein hervorragender Mann für die Front. Beim Jagen in Montana hatte er Schießen gelernt und verfehlte kaum je sein Ziel, egal unter welchen Bedingungen.
    »Jeder Schuss zählt«, erinnerte der
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