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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Autoren: Sue Twin
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Blick
miteinander aus, den ich nicht deuten kann. Ich bete, dass sie mich nicht
reinlegen wollen.
    »Wie heißt die Frau, die ihr habt?«, fragt der
rothaarige Mann.
    »Das weiß ich nicht. Aber sie hat eine Tätowierung
am Hals … ein … darf ich?«
    Ich zeige zur Felswand.
    Sie nicken.
    Die Greiferfrau lässt mich endlich los. Ich
schnappe mir einen abgebrochenen Stein und ritze das Zeichen in die Felswand.
Einen Kreis mit zwei Flügeln und einem S in der Mitte.
    »Skelya!«, sagt der Greifermann mit den stechend
blauen Augen und der Narbe am Hals. Sein Blick ist ungläubig.
    »Sie … sie ist in Ordnung«, lüge ich. »Ihre Flügel
sind ganz … sie ist nur schwach.«
    Den gefolterten Greifermann erwähne ich nicht. Er
ist vermutlich längst tot. Ich glaube nicht, dass er die Nacht überstanden hat.
    Hoffentlich lebt das kranke Kind noch. Ich
schweige darüber, wie es den Kindern geht. Ich kann davon jetzt nicht reden.
Meine Stimme würde zittern und ich darf nicht riskieren, dass die Falkgreifer
etwas ahnen und wütend werden. Denn dann würden sie uns umbringen.
    »Also gut«, krächzt der Greifermann mit den
kupferfarbenen Haarstoppeln. »Wir gehen bis zum Fels des Apollo. Du holst die Frau und die Kinder. Wenn sich Gills blicken
lassen, seid ihr Zwei sofort tot.«
    Ich trete vor und spanne den Rücken. »Ehrenwort.«
    Der Vogelmann zögert. »Chraaa«, sagt er. Aber ich
verstehe nicht, was es zu bedeuten hat. Es wirkt jedoch abfällig auf mich.
    Also wiederhole ich mein Anliegen. »Mein Ehrenwort
gilt. Was ist mit deinem?« Ich hebe das Kinn. »Ist es besiegelte Sache?«
    Endlich lässt er Pa:ris los. Aber sofort packt der
blonde Greifer ihn und hält ihn fest.
    Der Rothaarige hebt die Krallen. Ich begreife,
dass ich einschlagen muss, damit er sein Versprechen einlöst. Mit angehaltenem
Atem schlage ich meine Hände auf die Innenseite seiner Krallenhände. Seine Haut
fühlt sich ledrig und rau wie Sandpapier an. Bevor ich meine Hände zurückziehen
kann, fasst er zu und drückt die Daumenkrallen in mein Fleisch. Helles Blut
läuft über die Handrücken. Er nickt und lässt los.
    »Besiegelt.«
    Na, hoffentlich
gilt das auch für den anderen Greifer, der mit mir noch eine Rechnung offen
hat.

 
    Wir treten den Rückweg an – nehmen denselben Weg,
den ich gestern zusammen mit Kill geklettert bin. Die ganze Zeit muss ich an
ihn denken. Mit jedem Schritt, den wir uns von dem Kampfpatz entfernen, sinkt
meine Hoffnung, dass er noch lebt. Immer wieder blicke ich mich zaghaft um. Ich
hoffe auf ein Wunder. Vielleicht hat Kill sich ein Bein gebrochen und kann uns
deshalb nicht helfen. Oder er schleicht sich gerade von hinten an, um uns überraschend
zu befreien. Du weißt, dass das nicht
stimmt, sagt mein stets skeptischer, innerer Kritiker.
    Ich wische mir den Tränenschleier von den Augen. Es
darf nicht zu Ende sein. Kill muss zu mir zurückkommen – ohne ihn fühle ich
mich tot. Gleichzeitig bin ich wütend, weil ich nichts ändern kann an dem, was
geschehen ist.
    Schließlich kommen wir an den Spalt zwischen Joshua und Moses. Ich will Anlauf nehmen und über die Schlucht springen. Doch
da hat mich der Falkgreifer mit dem Kupferhaar bereits an den Schultern gepackt
und fliegt mit mir hinüber. Ich unterdrücke einen Schrei und beiße die Zähne
zusammen. Spitze Krallen bohren sich in mein Fleisch. Mir wäre es lieber
gewesen, ich wäre gesprungen. So wie Pa:ris.
    Schweigend laufen wir über den Bergrücken Moses. Der Greifer, dem ich am
Wasserfall einen Pfeil in den Hals gejagt habe, geht vor. Pa:ris ist die meiste
Zeit dicht hinter mir. Ich höre seinen schweren Stiefeltritt. Die Falkgreifer
sind barfuß. Sie sind trotzdem so schnell, dass ich außer Atem gerate. Im Kopf
überschlage ich die Zeit. Gestern, auf dem Hinweg, haben Kill und ich ohne
Pausen sieben Stunden vom Appollo-Felsen zum Buddha-Massiv gebraucht. Wir
haben uns Zeit gelassen. Heute kann ich den Rückweg in sechs Stunden schaffen.
Dann wäre ich gegen zwölf Uhr am Bunker.
    Zaghaft blicke ich mich nach Pa:ris um. Er
marschiert, mit zusammengekniffenen Lippen, nur eine Armlänge von mir entfernt.
Der Greifermann, mit dem ich gerade einen windigen Vertrag abgeschlossen habe, stößt
mir seine Kralle in die Schulter. »Vorwärts«, zischt er.
    Japsend drehe ich mich wieder nach vorne und laufe
hastig weiter – nur mit Mühe kann ich mit der Greiferfrau neben mir Schritt
halten. Ich habe keine Gelegenheit, mit Pa:ris zu reden. Was sollte ich
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