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Rau ist die See ...

Rau ist die See ...

Titel: Rau ist die See ...
Autoren: S Hogan
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leiser. Auch in der Bordküche war längst Ruhe eingekehrt. Jade öffnete einige Vorratsbunker, in denen konservierte Lebensmittel aufbewahrt wurden. Auch hier deutete nichts auf ein Versteck, auf ein verborgenes Gefängnis hin.
    Jade stieg noch tiefer hinab. Sie begegnete niemandem, und allmählich fand sie es in der Stille immer unheimlicher. Je weiter sie sich vom Oberdeck entfernte, desto nervöser wurde sie. Unwillkürlich erinnerte sie sich an den grässlichen Traum, der sie am Vortag beim Landausflug heimgesucht hatte. Sie war von einer düsteren Schreckensgestalt verfolgt worden.
    Hatte sie gerade etwas gehört? Abrupt blieb Jade stehen. Sie lauschte. Es waren keine Schritte zu hören. Nichts deutete daraufhin, dass sie verfolgt wurde. Ich sehe schon Gespenster, dachte sie und schüttelte ärgerlich den Kopf.
    Jade ging die nächste Treppe hinunter. Jetzt war sie weit unten im Schiffsrumpf. In diesem Teil des Schiffs war die Luft sehr feucht. Die Leuchtstoffröhren warfen ein fahles Licht auf die nackten Stahlplatten des Gangs. Jade führte sich vor Augen, dass sich jenseits der Außenhaut viele Millionen Hektoliter kaltes Atlantikwasser befanden. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen.
    Plötzlich glaubte sie, ein Stöhnen oder Ächzen gehört zu haben. Dann hörte sie wieder nichts und fragte sich, ob sie es sich nur eingebildet hatte.
    Unwillkürlich dachte sie an Schiffsratten. Ob es hier unten welche gab? Bisher hatte sie noch keine gesehen. Und an Bord des Kreuzfahrtschiffs wurde Sauberkeit ganz groß geschrieben. Andererseits verirrte sich bestimmt kein Passagier hierher … Im Gehen betrachtete Jade die kahlen und schmucklosen Wände und wartete darauf, jeden Moment die kleinen huschenden Körper sehen zu können, hunderte von ihnen.
    Da hörte sie das Geräusch wieder.
    Jetzt wusste sie, dass sie keine Ratten gehört hatte, sondern einen Menschen. Jade schlug das Herz bis zum Hals.
    Sie öffnete den schweren Stahlriegel eines Vorratsbunkers unmittelbar vor ihr. Dort drin herrschte Finsternis. Jade leuchtete mit ihrer Taschenlampe hinein.
    Auf den ersten Blick erkannte sie sie!
    Sie sah genauso aus wie in ihrem Videotagebuch. Allerdings war ihr Haar strähnig und verklebt. Auf ihrer Haut schimmerte ein leichter Schweißfilm, es war in dem bullaugenlosen Raum alles andere als kühl. Ann konnte weder schreien noch sprechen, ihr war der Mund mit einem breiten Streifen Klebeband zugeklebt worden. Ihre Hand- und Fußgelenke waren gefesselt. Aber sie lebte und schien unverletzt zu sein!
    Ann begann zu zittern, als die Tür geöffnet wurde. Das wunderte Jade nicht. Ann musste ja vermuten, dass ihr Kidnapper zu ihr gekommen war.
    Jade stand an der Tür, den hell beleuchteten Flur hinter sich. Mit einer Hand tastete sie über die Stahlwand. Sie fand einen Lichtschalter und betätigte ihn.
    Offenbar schmerzerfüllt kniff Ann die Augen zusammen. Die plötzliche Helligkeit musste ein Schock für sie sein. Erst jetzt sah Jade die leeren Regale in dem Raum. Der Kidnapper hatte eine Matratze in den Bunker geschafft, wie sie normalerweise für die Kojen in den Kabinen benutzt wurde.
    Als Ann sich an das helle Licht gewöhnt hatte, blickte sie voller Hoffnung in Jades Gesicht.
    „Hallo, ich bin Jade Walker. Du musst keine Angst haben, Ann. Ich werde dich erst einmal von diesem Klebeband befreien. Und die Fesseln nehme ich dir natürlich auch ab.“
    Sie kniete sich neben sie und tat, was sie soeben angekündigt hatte.
    Ann leckte sich über die trockenen Lippen. Aus dem Augenwinkel entdeckte Jade Essensreste und eine Mineralwasserflasche neben der Matratze. Schnell öffnete sie die Flasche und gab Ann zu trinken.
    „Woher kennst du meinen Namen, Jade? Bist du von der Polizei?“
    „Nein, ich bin Animateurin, so wie du. Ich wurde als deine Nachfolgerin eingestellt. Es hieß, du hättest in Oslo das Schiff verlassen. Aber ich habe immer gespürt, dass du noch an Bord bist – und zwar unfreiwillig.“
    „Das kann man wohl sagen.“ Ann kämpfte mit den Tränen. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass es vorbei sein soll. Die vergangenen Tage sind mir vor wie ein böser Traum vorgekommen, der niemals endet.“
    „Warst du die ganze Zeit hier eingesperrt?“
    „Ja“, erwiderte sie mit brüchiger Stimme. „Nur gelegentlich hat er mich herausgelassen, um … Naja, weiter hinten auf dem Gang ist eine Toilette für die Crew. Aber er hat gedroht, mir die Kehle durchzuschneiden, wenn ich zu fliehen
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