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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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geerntet. Stets war sie bescheiden und demütig. Sie soll belohnt werden.« Er richtete sich auf und fügte würdevoll hinzu: »Hör mich an, Yahmose. Henet soll alles haben, was sie wünscht. Ihre Befehle sind zu befolgen!«
    »Aber warum dies, Vater?«
    »Weil ich es sage. Weil es keine Todesfälle mehr geben wird, wenn Henets Wünsche erfüllt werden.«
    Er nickte weise mit dem Kopf und ging von dannen. Yahmose und Renisenb blickten einander erstaunt und bestürzt an.
    »Was bedeutet das, Yahmose?«
    »Ich ahne es nicht. Bisweilen dünkt es mich, mein Vater weiß nicht, was er spricht oder tut…«
    »Aber Henet weiß meiner Meinung nach recht gut, was sie spricht und tut. Erst kürzlich sagte sie zu mir, dass sie die Macht in diesem Hause haben würde.«
    Sie sahen sich an. Dann legte Yahmose seiner Schwester die Hand auf den Arm.
    »Erzürne sie nicht. Du zeigst deine Gefühle zu unverhüllt, Renisenb. Hast du gehört, was mein Vater sagte? Es wird keine Todesfälle mehr geben, wenn Henets Wünsche erfüllt werden…«
     
    Henet kauerte im Wäscheraum und zählte Linnentücher. Es war altes Linnen, und sie hielt das Zeichen an der Ecke des einen Lakens näher an die Augen.
    »Ashayet«, murmelte sie. »Ashayets Linnentücher. Eingezeichnet mit dem Jahr, in dem sie herkam… zusammen mit mir… Das ist lange her. Ob du wohl weißt, wofür die Linnentücher jetzt benutzt werden, Ashayet?«
    Mitten im Gekicher brach sie ab und zuckte zusammen, weil hinter ihr ein Geräusch ertönte. Sie blickte über die Schulter.
    Es war Yahmose.
    »Was tust du da, Henet?«
    »Die Einbalsamierer brauchen noch mehr Tücher. Ganze Stöße haben sie schon verbraucht. Es ist entsetzlich, wie viele Linnentücher diese Begräbnisse verschlingen! Wir müssen diese alten verwenden. Sie sind gut und noch nicht abgenutzt. Das Linnen deiner Mutter, Yahmose, das Linnen deiner Mutter…«
    »Wer hat gesagt, dass du es nehmen darfst?«
    Henet lachte.
    »Imhotep hat mir freie Hand gegeben. Ich brauche nicht mehr zu fragen. Er vertraut der alten Henet. Er weiß, dass sie für alles richtig sorgen wird. Seit langer Zeit sorge ich für das meiste in diesem Hause. Ich glaube, jetzt werde ich meine Belohnung erhalten!«
    »Es sieht so aus, Henet.« Yahmoses Ton war milde. »Mein Vater sagte, dass alles von dir abhängt.«
    »Wirklich? Oh, das ist schön zu hören. Aber vielleicht bist du nicht dieser Ansicht, Yahmose?«
    »Nun, ich bin nicht ganz sicher.« Immer noch war sein Ton milde, aber er beobachtete sie scharf.
    »Du würdest wohl besser einer Meinung mit deinem Vater sein, Yahmose. Wir wollen doch keine… Unannehmlichkeiten mehr, nicht wahr?«
    »Ich verstehe nicht recht. Meinst du, wir wollen keine Todesfälle mehr?«
    »Es wird noch mehr geben, Yahmose. O ja…«
    »Wer wird als nächster sterben, Henet?«
    »Wie kommst du darauf, dass ich das weiß?«
    »Weil ich glaube, dass du sehr viel weißt. Du wusstest zum Beispiel, dass Ipy sterben würde. Du bist sehr klug, Henet.«
    Sie warf den Kopf zurück.
    »Das wird dir also endlich klar! Ich bin nicht mehr die arme, dumme Henet. Ich weiß Bescheid.«
    »Was weißt du denn, Henet?«
    Henets Ton änderte sich; er wurde scharf.
    »Ich weiß zumindest, dass ich in diesem Hause tun kann, was mir beliebt. Niemand wird mich mehr zurückhalten. Imhotep stützt sich auf mich. Und du wirst das auch tun, wie, Yahmose?«
    »Und Renisenb?«
    Henet lachte böse.
    »Renisenb wird fort sein.«
    »Glaubst du, dass Renisenb die nächste sein wird?«
    »Vielleicht meinte ich nur, dass Renisenb heiraten und fortziehen wird.«
    »Was meinst du in Wirklichkeit, Henet?«
    Henet kicherte. »Esa sagte einmal, ich hätte eine gefährliche Zunge. Vielleicht stimmt das!« Sie lachte schrill und wiegte sich hin und her. »Nun, Yahmose, kann ich in diesem Hause endlich tun, was mir beliebt?«
    Yahmose betrachtete sie eine Weile, ehe er antwortete: »Ja, Henet. Du bist so klug. Du sollst tun, was dir beliebt.«
    Er wandte sich ab und traf Hori, der soeben aus der Haupthalle kam und zu ihm sagte: »Da bist du ja, Yahmose. Imhotep wartet auf dich. Es ist Zeit, zum Grab zu gehen.«
    Yahmose nickte. »Ich komme.« Er senkte die Stimme: »Hori, ich glaube, Henet ist von den Teufeln besessen.«
    »Sie ist eine merkwürdige und böse Frau, scheint mir.«
    »Hori, ich glaube, Renisenb droht Gefahr.«
    »Von Henet?«
    »Ja. Sie hat mir gerade angedeutet, dass Renisenb als nächste gehen wird.«
    Imhoteps aufgebrachte Stimme
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