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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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Yahmose…«
    Immer wieder murmelte Renisenb, vor Schreck wie gelähmt, den Namen. Sie konnte es nicht glauben…
    Sie stand vor der kleinen Felsenkammer, Hori hatte den Arm um sie gelegt. Sie vermochte sich kaum zu erinnern, wie er sie wieder hinaufgeführt hatte. Sie war nur fähig gewesen, voller Staunen und Entsetzen den Namen zu wiederholen.
    Hori sagte milde: »Ja, Yahmose. Die ganze Zeit.«
    »Aber wie? Und warum? Und wie konnte er es sein – er wurde ja selber vergiftet. Er starb beinahe.«
    »O nein. Er trank sehr vorsichtig von dem Wein, nur gerade so viel, dass er krank wurde, und er übertrieb sein schlechtes Befinden. Lediglich auf diese Weise konnte er den Verdacht von sich ablenken, das wusste er.«
    »Aber er kann doch Ipy nicht getötet haben! Er war ja so schwach, dass er kaum zu stehen vermochte!«
    »Auch das täuschte er vor. Entsinnst du dich nicht, dass Mersu sagte, er würde schnell wieder zu Kräften kommen, sobald das Gift seinen Körper verlassen hätte? So war es in Wirklichkeit.«
    »Aber warum, Hori? Das begreife ich nicht – warum?«
    Hori seufzte.
    »Weißt du noch, Renisenb, wie ich einmal mit dir über die Verderbnis sprach, die von innen kommt?«
    »O ja. Ich dachte erst heute Abend daran.«
    »Du meintest, Nofret hätte das Böse mitgebracht. Das stimmt nicht. Das Böse war schon hier im Herzen des Hauses verborgen. Nofret zerrte es bloß ans Licht. Ihre Anwesenheit ließ kein Verstecken mehr zu. Kaits sanfte Mütterlichkeit wurde zu unbarmherziger Selbstsucht, die nur auf das eigene Wohl und das ihrer Kinder bedacht war. Sobek verwandelte sich von einem fröhlichen, bezaubernden jungen Mann in einen prahlerischen, ausschweifenden Schwächling. Ipy war kein verwöhntes, reizvolles Kind mehr, sondern ein eigensüchtiger Jüngling, der Pläne schmiedete. Obwohl Henet ergebene Liebe heuchelte, begann das Gift sich deutlich zu zeigen. Die einst so herrschsüchtige Satipy wurde feige. Sogar Imhotep verlor seine Würde.«
    »Ja, ja, das habe ich auch festgestellt.« Renisenb wischte sich die Augen. »Aber warum musste diese Verderbnis von innen kommen?«
    Hori zuckte die Schultern.
    »Vielleicht muss es immer ein Wachstum geben, und wenn man nicht gütiger, weiser und größer werden kann, dann richtet sich das Wachstum nach der andern Seite und treibt die bösen Dinge weiter. Vielleicht ist die Verderbnis aber auch wie eine ansteckende Krankheit.«
    »Doch Yahmose… gerade er schien stets der gleiche zu sein.«
    »Ja, und das ist der eine Grund, warum ich ihn verdächtigte. Die andern schufen sich durch ihr Temperament eine gewisse Erleichterung. Yahmose aber ist immer schüchtern gewesen, leicht lenkbar und zu zaghaft, um sich aufzulehnen. Er liebte Imhotep und arbeitete hart, um ihm gefällig zu sein, und Imhotep fand ihn gutwillig, aber dumm und langsam. Er verachtete ihn. Auch Satipy behandelte ihn mit der ganzen Überlegenheit ihrer herrschsüchtigen Natur. Allmählich wurde sein Groll immer stärker, fraß sich immer tiefer in ihn ein. Je schwächer er wirkte, desto mehr tobte innerlich seine Wut. Und dann, gerade als er hoffen durfte, endlich den Lohn für seinen Fleiß zu erhalten und von seinem Vater zum Teilhaber ernannt zu werden, gerade da kam Nofret. Nofret war der zündende Funke. Sie verletzte alle drei Brüder in ihrer Männlichkeit, und sie bewirkte, dass Satipys beißende Zunge für Yahmose unerträglich wurde. Satipys Hohnworte, ihre Behauptung, sie wäre mehr Mann als er, raubten ihm die Selbstbeherrschung. Er traf Nofret auf diesem Pfad hier, und in seiner rasenden Wut stieß er sie hinunter.«
    »Aber es war doch Satipy…«
    »Nein, nein. In diesem Punkt habt ihr euch alle geirrt. Satipy war Zeuge seiner Tat – sie stand unten. Verstehst du jetzt?«
    »Yahmose befand sich doch mit dir auf der Pflanzung.«
    »Ja, während der letzten Stunde. Aber du musst dir einmal klarmachen, Renisenb, dass Nofrets Leiche schon kalt war, als du sie fandest. Du hast selber ihre Wange berührt. Du dachtest, sie wäre kurz vorher erst abgestürzt, doch das war unmöglich. Sie muss schon mindestens seit zwei Stunden tot gewesen sein, sonst hätte sich ihr Gesicht in der heißen Sonne nicht kalt angefühlt. Satipy sah, wie es geschah. Sie trieb sich hier herum, von Angst erfüllt, ohne zu wissen, was sie tun sollte, dann erblickte sie dich und versuchte dich zurückzuhalten.«
    »Hori, seit wann weißt du das alles?«
    »Ich vermutete es schon bald. Satipys Benehmen brachte mich
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