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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Theo Vermont
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Schwarzer Schwan
     
    Der offizielle Sommerbeginn ist bereits zwei Wochen her und trotzdem lässt sich die Sonne selten bis gar nicht blicken. Der viel propagierte Klimawandel soll schuld sein, meinen die einen, stimmt nicht, eine normale Schlechtwetterfront, die anderen. Ich zähle mich zu keinen dieser immer müßig diskutierenden Anhänger der beiden Gruppen und ignoriere den Wetterbericht konstant. Irgendwann wird auch zu uns, nach Deutschland, der Sommer kommen, sage ich mir jedes Mal, wenn mein Blick ins trübe Draußen schweift.
    Ich arbeite von zu Hause aus, daher kümmert es mich auch nicht, wenn es regnet, da ich mir die Freiheit nehme, einfach im kuscheligen Heim zu bleiben und statt in die graue Wolkendecke auf meinen Computer zu starren. Ich bin Schriftsteller, zumindest möchte ich das sein. Mein Brot verdiene ich mit Artikeln, die ich dann und wann an eine lokale Zeitung schicke und mit Übersetzungen von Deutsch ins Englische für eine amerikanische Internetplattform. Ich könnte also bequem den ganzen Tag auf meiner gemütlichen Couch sitzen bleiben und schreiben. Gäbe es da nicht mein immer wieder akut werdendes Ideenproblem, das mich doch wieder unter Leute gehen lässt. Und meinen Freund, der als einer der wenigen es schafft, mich an besonders depressiven Tagen von meinen vier Wänden weg in die frische Luft zu bringen. Er ist schuld, dass ich mich an einem dieser Tage aufgerafft habe, um ins Landhaus eines Bekannten, Martin, zu fahren, der im Nachbarland Österreich seinen vierzigsten Geburtstag feiert. Hätte ich gewusst, was an diesem Wochenende passieren würde, ich wäre meinen Lesern diese Geschichte schuldig geblieben und dann wäre es auch nicht zu diesem schrecklichen Vorfall gekommen. Aber, um die Spannung nicht vorweg zu nehmen, sollte ich chronologisch mit den unglaublichen Geschehnissen des hässlichsten Julis der letzten Jahrzehnte beginnen und dort starten, an dem alles seinen Anfang genommen hat. Und sollte dieser Text hin und wieder von Tränen besudelt sein, bitte ich dies vorweg zu entschuldigen, denn diese Geschichte ist ein Krimi, vielleicht aber auch eine Tragödie. Ein Gesellschaftsurteil an all jene, die mich an den Pranger gestellt haben, obwohl wir alle zu gleichen Teilen an diesem schrecklichen Unglück schuld sind.
     
    Freitag. Ich hasse Freitage. Sie sagen einem, dass die Woche vorbei ist und man wieder zu wenig gearbeitet und weitergebracht hat. Aber sie schreien auch. Sie schreien "Hey, das Wochenende ist da! Und ehe du dich versiehst, ist es auch wieder vorbei". Ich habe ein Problem mit diesem Wochentag. Besonders heute. Ich habe mich nämlich dazu überreden lassen nach Kitzbühel zu fahren. Zwei Stunden dauert die Autofahrt von meinem trauten Heim in München bis ins Landhaus in Tirol. Und ich kann mich bei weitem gut alleine beschäftigen, besonders, wenn ich meinen Computer vor mir liegen habe, kann ich stundenlange schreiben oder Gedankenversunken auf den Bildschirm starren, bis ich endlich einen Satz getippt habe, um ihn gleich danach wieder zu löschen. Aber alleine, zwei Stunden auf der Autobahn, auf den grauen Asphalt zu stieren, das liegt mir nicht. Aber gut, Alexander will, dass ich komme, und er ist wahrscheinlich der einzige Mensch, für den ich alles mache. Er akzeptiert mich, so wie ich bin. Wenn ich depressiv zu Hause lungere und Joints rauche, oder einen meiner seltenen Hochtage erfahre und durch die Wohnung springe. Er liebt mich. Weiß ich. (Dass diese Liebe an diesem Wochenende so sehr am Prüfstand stehen würde, konnte ich ja nicht ahnen!)
    Aber, dass er mich sogar dazu motivieren konnte, zu einer Mottoparty zu fahren, war neu. "Jäger und Gejagter". Was für ein Thema! Obwohl ich meine Lederhose und ein Hemd einpackte, wusste ich bereits, dass ich der "Gejagte" sein würde. In vielerlei Hinsicht. Zum einen, weil ich die erwartete Gesellschaft nicht ausstehen kann - alles oberflächliche Snobs, die sich zu den Anhängern der Schlechtwetterfront zählen, denn sonst wären sie ja "öko". Zum anderen, weil mein Freund nicht alleine kommt. Und seine Begleitung ist niemand geringerer als seine Ehefrau, Margit. Margit, die Mutter seiner Kinder. Margit, die intelligente Superfrau, die ihre Finanzierung stemmt. Margit, eine Frau. Seine Frau, die nichts von uns weiß. Die natürlich glaubt, sie hätten keinen Sex mehr, weil sie sich auseinander gelebt hätten. Nicht, weil Peter schwul ist. Margit, die glaubt, wir wären bloß gute Freunde. Nicht, dass
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