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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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darauf. Offensichtlich fürchtete sie sich vor jemandem, und ich war dann überzeugt, dass die Person, vor der sie sich fürchtete, Yahmose war. Sie beherrschte ihn nicht mehr, sondern trachtete danach, ihm in jeder Weise zu gehorchen. Sie hatte einen großen Schrecken erlebt, verstehst du. Gerade Yahmose, den sie als den schwächsten aller Männer verachtete, hatte Nofret getötet. Dadurch wurde für Satipy die ganze Welt auf den Kopf gestellt. Wie die meisten herrschsüchtigen Frauen war sie feige. Dieser neue Yahmose ängstigte sie. Von ihrer Furcht getrieben, begann sie im Schlaf zu reden. Es wurde Yahmose bald klar, dass sie für ihn eine Gefahr bedeutete…
    Und nun, Renisenb, kannst du dir selber klarmachen, was du an jenem Tag mit eigenen Augen gesehen hast. Es war kein Geist, den Satipy sah, so dass sie strauchelte. Sie sah das gleiche wie du heute. Sie sah in dem Gesicht ihres Gatten, der ihr folgte, die Absicht, sie hinunterzustoßen, wie er die andere Frau hinuntergestoßen hatte. In ihrem Entsetzen strauchelte sie, verlor das Gleichgewicht und stürzte ab. Und als ihre Lippen im Sterben das Wort ›Nofret‹ formten, da versuchte sie dir zu sagen, dass Yahmose Nofret ermordet hatte.«
    Hori schaltete eine Pause ein und fuhr dann fort:
    »Esa fand durch eine Bemerkung, die Henet in ganz anderem Zusammenhang machte, die Wahrheit heraus. Henet beklagte sich, dass ich sie nicht ansähe, sondern auf etwas hinter ihr blickte. Dann sprach Henet von Satipy. Blitzartig erkannte Esa, wie einfach die Lösung des Rätsels war. Satipy hatte nicht etwas hinter Yahmose gesehen, sondern sie hatte Yahmose gesehen. Um sich zu überzeugen, brachte Esa die Rede darauf, aber so, dass außer Yahmose niemand ahnen konnte, was sie meinte – falls ihr Verdacht zutraf. Ihre Worte überraschten ihn, und er verriet sich irgendwie, vielleicht nur mit einem Blick oder einer kleinen Bewegung; jedenfalls hatte sie nun die Gewissheit, dass ihr Verdacht stimmte. Aber Yahmose wusste nun, dass sie ihn verdächtigte. Und nachdem einmal ein Verdacht sich erhob, fügte alles sich ineinander, sogar die Geschichte, die der Viehhirte erzählt hatte – ein Knabe, der seinem Herrn Yahmose vollkommen ergeben war und alles tat, was er ihm befahl, der auch willig die Medizin schluckte, die ihn in ewigen Schlaf versenkte…«
    »O Hori, es ist so schwer zu glauben, dass Yahmose so etwas tun konnte! Nofret, ja… das verstehe ich. Aber wozu die anderen Morde?«
    »Es lässt sich nicht leicht erklären, Renisenb, aber wenn das Herz sich erst einmal dem Bösen geöffnet hat… das Böse blüht wie der Mohn im Korn. Vielleicht hatte sich Yahmose sein ganzes Leben lang nach Gewalttaten gesehnt, ohne sie ausführen zu können. Er verabscheute die untergeordnete Rolle des Schwächlings, die er spielen musste. Ich glaube, dass ihm die Ermordung Nofrets ein starkes Machtgefühl verliehen hat. Das wurde ihm zuerst durch Satipy klar, die ihn nun fürchtete. All die Kümmernisse, die so lange in seinem Herzen begraben gelegen hatten, hoben jetzt den Kopf – wie die Schlange sich damals hier erhob. Sobek war schöner, Ipy klüger als er – deshalb mussten sie aus dem Weg geräumt werden. Ja, Yahmose wollte der Herrscher im Hause sein, die einzige Stütze seines Vaters! Satipys Tod trug dann dazu bei, dass ihm das Töten Freude und Befriedigung bereitete. Sein Machtgefühl wuchs dadurch. Danach verlor er gänzlich die Beherrschung über den Geist, von da an war er ganz und gar vom Bösen besessen.
    Du warst keine Nebenbuhlerin, Renisenb. Soweit er dessen noch fähig war, liebte er dich. Aber er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass dein Gatte den Besitz mit ihm teilen sollte. Ich glaube, dass Esa deiner Heirat mit Kameni aus zweierlei Gründen zustimmte – erstens nahm sie an, dass Yahmose, falls er wieder zuschlug, eher auf Kameni als auf dich zielen würde, und auf jeden Fall vertraute sie darauf, dass ich über dich wachen würde; und zweitens wollte Esa die Dinge auf die Spitze treiben, denn sie war ein kühner Mensch. Ich sollte Yahmose, der ja nicht ahnte, dass auch ich ihn verdächtigte, bei der Tat ertappen.«
    »Das hast du ja auch getan«, sagte Renisenb. »O Hori, ich erschrak fürchterlich, als ich zurückblickte und ihn sah.«
    »Ich weiß, Renisenb; aber es musste sein. Solange ich mich an Yahmoses Seite hielt, warst du sicher, doch das konnte nicht ewig so weitergehen. Ich wusste, dass er dich an der gleichen Stelle vom Pfad hinunterstoßen
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