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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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beleumdete Häuser ging, wo er Kupfer und Gold ausgab, wo er auch trank und die kostspieligsten Tanzmädchen anforderte. Zum Glück hielt Imhotep ihn kurz und ließ ihn keine Entscheidungen über das Besitztum treffen. Wie könnte ich für einen solchen Mann Liebe und Achtung aufbringen? Und wozu taugen Männer überhaupt? Sie sind notwendig, um Kinder zu zeugen, weiter nichts. Was die Männer betrifft, sie sollen nur zeugen und früh sterben…«
    Zorn und Verachtung ließen Kaits Stimme metallisch klingen. Ihr starkes, nicht sonderlich schönes Gesicht war wie verwandelt.
    Renisenb dachte bestürzt: Kait ist voller Kraft. Wenn sie wirklich dumm ist, so ist es eine Dummheit, die sich selbst genügt. Sie hasst und verachtet die Männer. Ja, Kait ist stark…
    In Gedanken versunken ließ Renisenb den Blick auf Kaits Hände fallen – kräftige, sehnige Hände, die den Lehm kneteten. Und sie musste daran denken, dass eine kräftige Hand Ipys Kopf unter das Wasser gedrückt hatte…
     
    »Yahmose, nimm dich vor Kait in Acht.«
    »Vor Kait?« Yahmose zeigte großes Erstaunen. »Meine liebe Renisenb…«
    »Ich sage dir, sie ist gefährlich.«
    »Unsere stille Kait? Sie war jeher ein schwaches, unterwürfiges Weib, nicht sehr gescheit…«
    Renisenb unterbrach ihn: »Sie ist weder schwach noch unterwürfig. Ich fürchte mich vor ihr. Ich bitte dich, sei auf der Hut.«
    »Vor Kait?« Er war immer noch ungläubig. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass Kait ringsum Verderben sät. Dazu fehlt es ihr an Verstand.«
    »Ich finde nicht, dass der Verstand dabei eine Rolle spielt. Man muss über Gifte Bescheid wissen, mehr ist nicht nötig. Und es ist dir wohl bekannt, dass bestimmte Familien ein solches Wissen haben. Es vererbt sich von der Mutter auf die Tochter. Sie brauen die Getränke aus den starken Kräutern selbst. Eine solche Kenntnis könnte Kait leicht haben. Sie braut Tränke, wenigstens für ihre Kinder, wenn sie krank sind.«
    »Ja, das ist wahr«, sagte Yahmose nachdenklich.
    »Auch Henet ist ein böses Weib«, fuhr Renisenb fort.
    »Henet, ja. Wir haben sie nie geliebt. Wenn mein Vater sie nicht so schätzen würde…«
    »Unser Vater täuscht sich in ihr«, sagte Renisenb.
    »Das mag wohl sein.« In sachlichem Ton fügte Yahmose hinzu: »Sie schmeichelt ihm.«
    Renisenb sah ihn einen Augenblick überrascht an. Zum ersten Mal hörte sie Yahmose einen Satz äußern, mit dem er Kritik an Imhotep übte. Es hatte immer so ausgesehen, als erstürbe er in Ehrfurcht vor seinem Vater.
    Aber jetzt, das wurde ihr klar, ergriff Yahmose allmählich die Führung. Imhotep war in den letzten Wochen um Jahre gealtert. Er war außerstande, Befehle zu erteilen und Entscheidungen zu treffen. Auch seine körperliche Tatkraft schien wie gelähmt. Stundenlang starrte er geistesabwesend vor sich hin. Manchmal hörte er nicht einmal, was man zu ihm sagte.
    »Glaubst du, dass sie…« Renisenb brach ab und schaute um sich. »Glaubst du, dass sie es ist…?«
    Yahmose packte sie am Arm.
    »Schweig, Renisenb. Diese Dinge bleiben besser ungesagt. Nicht einmal im Flüsterton darf man darüber reden.«
    »Dann glaubst du also…«
    Yahmose fiel sanft, aber eindringlich ein: »Sag jetzt nichts. Wir haben Pläne.«

22
    Zweiter Monat des Sommers – 17. Tag
     
    A m folgenden Tag wurde das Fest des jungen Mondes gefeiert. Imhotep war gezwungen, zum Grab hinaufzugehen und die Opfer darzubringen. Yahmose bat seinen Vater, es diesmal ihm zu überlassen; aber Imhotep zeigte sich eigensinnig. Mit einem schwachen Abglanz seines früheren Hochmuts entgegnete er: »Wie kann ich sicher sein, dass alles richtig gemacht wird, wenn ich es nicht selber besorge? Hab ich jemals meine Pflicht vernachlässigt? Hab ich nicht euch alle erhalten, auch ernährt…«
    Seine Stimme erstarb. Dann stöhnte er: »Ach, ich vergaß. Meine beiden Söhne sind von mir gegangen. Ihr beide, Yahmose und Renisenb, ihr seid mir geblieben. Aber wie lange noch, wie lange…«
    »Noch viele Jahre hoffentlich«, sagte Yahmose.
    Er sprach ziemlich laut wie zu einem Schwerhörigen.
    »Wie? Was?« Imhotep schien tief in Gedanken versunken. Er sagte unvermittelt: »Es hängt von Henet ab, nicht wahr? Ja, es hängt von Henet ab.«
    Yahmose und Renisenb wechselten einen Blick.
    »Ich verstehe dich nicht, Vater«, warf Renisenb ein.
    Nachdrücklich sagte Imhotep. »Henet versteht mich.
    Sie hat mich immer verstanden. Sie weiß, wie groß ihre Verantwortung ist. Und immer hat sie nur Undank
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