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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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Gefäß mit der wohlriechenden Salbe, die jede Ägypterin benützte. Darin war das Gift gewesen…
    Und morgen konnte sie nicht mit Hori sprechen, konnte ihm nicht mitteilen, was sie wusste. Es war zu spät…
     
    Am nächsten Morgen lief die erschrockene kleine Sklavin durchs Haus und schrie, ihre Herrin sei im Schlaf gestorben.
    Imhotep blickte auf die tote Esa nieder. Sein Gesicht trug einen bekümmerten, doch keinen argwöhnischen Ausdruck.
    »Sie war alt«, sagte er, »sie ist eines natürlichen Todes gestorben. Es war zweifellos Zeit für sie, zu Osiris zu gehen, und all die Kümmernisse haben ihr Ende beschleunigt. Aber es scheint recht friedlich gewesen zu sein. Re hat sich ihrer erbarmt, so dass weder Menschen noch böse Geister ihren Tod verursacht haben. Hier ist kein Zeichen einer Gewalttat. Schaut, wie friedlich sie aussieht.«
    Renisenb weinte, und Yahmose tröstete sie. Henet schüttelte seufzend den Kopf und jammerte, welch einen Verlust sie erlitten habe und wie ergeben sie der Toten stets gewesen sei. Kameni sang nicht mehr, sondern setzte eine schickliche Trauermiene auf.
    Hori kam und betrachtete die Tote. Es war die Stunde, zu der sie ihn zu sich bestellt hatte. Er fragte sich, was sie ihm wohl hatte mitteilen wollen.
    Es musste etwas Entscheidendes gewesen sein.
    Jetzt würde er es niemals mehr erfahren.
    Aber er glaubte es erraten zu können…

21
    Zweiter Monat des Sommers – 16. Tag
     
    » H ori, ist sie ermordet worden?«
    »Ich glaube, ja, Renisenb.«
    »Aber wie?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Sie war doch so vorsichtig, war immer auf der Hut. Alle ihre Speisen und Getränke wurden erst gekostet.«
    »Ich weiß, Renisenb. Trotzdem glaube ich, dass sie umgebracht worden ist.«
    »Und sie war die Klügste von uns! Hori, es muss ein Zauber sein, der Zauber böser, rächender Geister.«
    »Das glaubst du, weil es am leichtesten zu glauben ist. So sind die Menschen. Esa wusste, dass es das Werk eines Lebenden war.«
    »Und sie wusste, um wen es sich handelt?«
    »Ja. Sie hat ihren Verdacht zu offen gezeigt. Sie wurde gefährlich für den Feind. Die Tatsache, dass sie gestorben ist, beweist, dass ihr Verdacht zutreffend war.«
    »Und hat sie dir gesagt, wen sie verdächtigte?«
    »Nein«, entgegnete Hori. »Sie hat nie einen Namen genannt. Gleichwohl bin ich überzeugt, dass sie dieselben Gedanken hegte wie ich.«
    »Dann musst du es mir sagen, Hori, damit ich mich in Acht nehmen kann.«
    »Nein, Renisenb, deine Sicherheit liegt mir zu sehr am Herzen, als dass ich das tun würde.«
    »Droht mir denn keine Gefahr?«
    Über Horis Gesicht fiel ein Schatten.
    »Es droht allen Gefahr, niemand ist sicher. Aber es droht dir viel weniger Gefahr, wenn du die Wahrheit nicht weißt.«
    »Und wie steht es mit dir, Hori? Du weißt doch Bescheid.«
    »Ich glaube Bescheid zu wissen«, verbesserte er sie. »Aber ich habe nichts gesagt und nichts durchblicken lassen. Esa war unklug, sie sprach geradeheraus. Sie zeigte, in welche Richtung ihre Gedanken sich bewegten. Das hätte sie nicht tun sollen.«
    »Aber du, Hori… wenn dir etwas zustößt…«
    Sie hielt inne, weil Hori sie ernst und durchdringend ansah, als wollte er mit dem Blick bis zu ihrem Herzen dringen. Er ergriff ihre Hände.
    »Hab keine Angst um mich, kleine Renisenb. Alles wird gut werden.«
    Ja, dachte sie, wenn er das sagt, dann stimmt es. Seltsam, wie sicher sie sich in seiner Nähe fühlte, wie friedvoll und glücklich. Da gab es keine Ansprüche und keine Forderungen.
    Unvermittelt sagte sie fast grob: »Ich werde Kameni heiraten.«
    Ruhig ließ Hori ihre Hände los.
    »Ich weiß.«
    »Mein Vater hält es für das beste.«
    »Ich weiß.«
    Er entfernte sich.
    Die Hofmauern schienen zusammenzurücken, die Stimmen im Haus und in den Kornspeichern klangen lauter als gewöhnlich.
    Renisenb hatte nur einen Gedanken: Hori geht… Zaghaft rief sie ihm nach: »Hori, wohin gehst du?«
    »Auf die Felder mit Yahmose. Wir haben viel zu tun. Bald ist Erntezeit.«
    »Und Kameni?«
    »Kameni kommt mit uns.«
    »Ich fürchte mich hier. Ja, sogar bei Tage, obwohl ringsum die Diener sind und Re über den Himmel segelt – trotzdem fürchte ich mich.«
    Er kehrte rasch zurück.
    »Fürchte dich nicht, Renisenb. Ich schwöre dir, dass du keine Angst zu haben brauchst. Heute nicht.«
    »Aber morgen?«
    »Der heutige Tag genügt und muss erst erlebt werden. Und ich schwöre dir, dass dir heute keine Gefahr droht.«
    Renisenb sah ihn an und runzelte die
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