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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Autoren: Nina Puri
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ein reiselustiges Völkchen. Schon vor Hunderten von Jahren sah man sie in alle Welt ausschwärmen, ausgestattet mit allem, was reisende Engländer damals brauchten: karierte Reisedecken, Schirme, Fernrohre, Seekisten, Hutschachteln, Picknickkörbe und Haustiere. Auch heute sind englische Touristen zum Beispiel aus spanischen Orten wie Torremolinos, San Antoni oder Magaluf nicht mehr wegzudenken: Vodka-Lemon trinkend in der Flugankunftshalle, Fußballhymnen schmetternd in der Hotellobby des Hotel Inglès, Chips und Chicken-Curry mampfend in der Tapas-Beachbar oder in Badehosen und Socken bei der Kirchenbesichtigung. Engländer sind einfach Meister darin, es sich unterwegs so schön wie daheim zu machen (nur mit etwas mehr Sonnenbrand). Dabei exportieren sie mit Vorliebe gleich ihre ganze Infrastruktur ins Urlaubsland: im Norden Fuerteventuras findet man neben englischen pubs , fish & chips -Läden, lausigen englischen Sängern und DJs sogar die typischen, roten englischen Telefonzellen! Fremdsprachenkenntnisse bringen Engländer dagegen in der Regel keine mit. Wozu auch? Schließlich lässt sich auch ohne dass man dafür die Schulbank drücken müsste mit wenigen Worten jede Urlaubssituation meistern:
    Can I have a bucket of this, with a straw? – „Kann ich einen Eimer von dem da haben, mit Strohhalm?“
    Ouch, my head! – „Autsch, mein Kopf!“
    That’s not a red t-shirt, that’s my skin. – „Das ist kein rotes T-Shirt. Das ist meine Haut.“
    Natürlich werden betuchtere Engländer eher einen individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Auslandsurlaub machen, zum Beispiel Wanderferien in Murmansk, einen Helikopterflug zum Vulkansee in Kamtschatka oder Einhandsegeln in Nova Sofala. Was sie mit den englischen Pauschalreisenden verbindet, ist jedoch, dass sie im Ausland irgendwann dann doch das englische Essen und den englischen Tee ( proper food and tea) , eine verständliche Währung und das eigene Haustier vermissen. Auch der allmorgendliche und vollkommen aussichtlose Kampf gegen die Deutschen um die Strandliegen (wahlweise Trekkingstöcke, Helikopterfensterplätze oder Schwimmwesten) nervt. 46
    Deshalb machen viele Engländer lieber Urlaub im eigenen Land anstatt in die Ferne zu reisen. Dafür gibt es sogar ein Wort: Staycation – zusammengesetzt aus den Wörtern stay („bleiben“) und vacation („Urlaub“) – entspricht genau dem deutschen „Balkonien“. So ist es beispielsweise in der working class und der unteren middle class sehr beliebt, per Zug mit der ganzen Familie an den Kiesstrand von Bognor Regis zu fahren. Wo ließe es sich auch schöner im prasselnden Regen in eine Decke gewickelt auf einem Klappstühlchen sitzen? Besonders, wenn es dazu Tee aus der Thermoskanne, köstliche Hotdogs und Zuckerwatte gibt. Andere Engländer zieht es ins entlegene Margate, wo Imbissbuden und Schlägerlokale Seit an Seit stehen und man bei orkanartigen Böen im Windfang zusammengekauert den Übergang vom grauen Himmel zum grauen Meer (oder, bei Ebbe, zu zwei Kilometern grauem Matsch) betrachten kann. Hier wurde Tracy Emin, die berühmteste zeitgenössische Künstlerin Englands, geboren. (Anmerkung: Unerklärlicherweise verließ sie den Ort und wohnt jetzt in London.) Wieder andere Engländer pilgern nach Burnham, einen Ort an der See, der sich rühmt, das kürzeste Pier Englands zu haben. Von hier aus hat man eine wunderschöne Aussicht auf das nahegelegene Atomkraftwerk Hinkley Point und kann Wanderungen im lebensgefährlichen Watt machen. Ein anderer Dauerbrenner bei englischen Urlaubern ist Eastbourne. In diesem beschaulichen Örtchen, das Einheimische liebevoll Gods Waiting Room – „Gottes Wartezimmer“ – nennen, findet man nebst einem bröckelnden Pier und einigen Teestuben die wohl weltweit größte Population Über-Siebzigjähriger. Auch die englische Riviera hat ihre Freunde. Im Badeort Torquay – wahlweise Englisches Montpellier, Englisches Neapel oder Englisches Bielefeld genannt – steht das Hotel Gleneagles, dessen so unfähiger wie unhöflicher ehemaliger Besitzer Donald Sinclair nicht nur den Titel „Garstigster Hotelier der Welt“ erhielt, sondern auch den Komiker John Cleese zur berühmten Hotel-Serie „Fawlty Towers“ inspirierte.
    Blackpool, Brighton, Weston-Super-Mare, Whitby, Hampshire Coast, Great Yarmourth, Devon, Dorset, Cornwall, Cumbria, Porlock, Bornemouth, St. Ives, Scarborough … Die Liste der Badeorte, in denen man sich eine Lungenentzündung holen und in
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