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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Autoren: Nina Puri
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Keramikpanthern, weißen Kunstlederchaiselongues oder goldenen Klodeckeln irgendwelcher Big Brother-Berühmtheiten. In der Reality-Show Changing Rooms durften ausgewählte Paare das Zuhause ihrer Nachbarn, Freunde oder Verwandten umgestalten – mit haarsträubenden Ergebnissen. Das markerschütternde „Oh my God!“ der jeweiligen Hausbesitzer angesichts der Ergebnisse verriet, dass sie den Heimveredlern nach Abzug des Filmteams gleich an die Gurgel gehen würden. Sendungen wie Property Ladder oder Location Location Location , zeigen wiederum, wie man Häuser kauft, die noch die eigenen Ururenkel finanziell in den Ruin treiben werden. Bankenkrise? Immobilienblase? Pah, get off it!
    Um „Tante Bieb“ ( Auntie Beeb – wie die Einheimischen liebevoll zur BBC sagen) zu sehen, braucht man eine Fernseh-Lizenz. Beziehungsweise: Sowie man in England einen Fernseher kauft, bekommt man einen Brief, der erläutert, dass man fortan eine television licence fee , eine „Fernseh-Lizenz-Gebühr“ entrichten muss 42 . Die Gebühr ist eine Art englische GEZ-Gebühr und unterstützt Programme, die sich nicht durch Werbung finanzieren. Sie beträgt etwa £130 jährlich für Farbfernseher und £42.00 für Schwarzweiß-Fernseher; erst im Alter von 75 Jahren wird man davon befreit. Weigert man sich, sie zu bezahlen, kriegt man nicht wie in Deutschland niedliche Bluff-Warnungen, sondern wandert gleich ins Gefängnis. Wie der Staat es spitz kriegt, dass man sich einen Fernseher zugelegt hat – keine Ahnung. Vielleicht hat das ja mit den vielen Kameras zu tun, die überall in England stehen. Womöglich sind die doch nicht nur dazu da, die Engländer vor bösen Räubern zu schützen. So manche einheimische Kritiker schwören übrigens Stein und Bein, dass es mit dem englischen Fernsehen steil bergab gehe. Allerdings nur bis zu dem Moment, in dem sie zum ersten Mal deutsches Fernsehen einschalten. Dann bereuen sie (aus gutem Grund und tiefem Herzen) alles, was sie jemals über ihr wunderbares Heimatfernsehen gesagt haben.
    Eine nationale Kultsendung im Radio ist der Shipping Forecast auf BBC4: vier Mal am Tag sendet sie Wetterberichte und –vorhersagen für das Gewässer um die britischen Inseln. Ihre Beliebtheit bei Alt und Jung verdankt sie wahrscheinlich weniger den maritimen Fachbegriffen, aus denen ohnehin keine Socke schlau wird, als vielmehr der hinreißend altmodischen und geradezu hypnotisierenden Art, in der all die Zahlen, Daten und Meeresregionen von der netten Stimme in lupenreinem BBC-Englisch aufgezählt werden: „Viking, North Utsire, South Utsire, nine eight oh, expected norwegian sea, nine seven six by nighttime, Forties, Cromarty, Forth …“ Zzzzt. Ein bisschen erinnert das Ganze an das beruhigende Testbild, das früher nach Sendeschluss im deutschen Fernsehen zu sehen war, nur eben mit Ton statt Bild.
    Weniger einschläfernd ist die englische Musikszene. Obwohl ein deutscher Musikforscher England im 19. Jahrhundert „Land ohne Musik“ nannte (weil die Nation bis dahin außer Händel, der auch noch ein Deutscher war, keinen nennenswerten Komponisten hervorgebracht hatte), ist die Insel seit den 60ern des letzten Jahrhunderts der weltgrößte Lieferant von Gitarrenbands und blassen, androgynen Sängern mit guten Frisuren. Wie viele junge Menschen auf der ganzen Welt haben sich wohl zu Musik von Beatles, Stones und The Kinks einen Joint durchgezogen? Zu Led Zeppelin, Pink Floyd und Deep Purple Luftgitarre gespielt? Zu The Police, Cure und Joy Division fingerdick Kajalstift aufgetragen? Zu Sex Pistols und The Clash die Jingler-Jeans zerschnitten und mit Sicherheitsnadeln versehen? Zu Oasis, Blur, Pulp, Suede und The Verve trotzig aus dem Jugendzimmerfenster gestarrt? Und wie viele Menschen joggen täglich zu den MP3 Aufnahmen von Franz Ferdinand, the Libertines, den Arctic Monkeys oder – nicht zu vergessen – Robbie Williams durch den Park? Wenn die Engländer etwas können, dann gute Popmusik machen.
    Eigentlich. Denn gleichzeitig und weil nichts in England nur eine Seite hat, darf hier nicht verschwiegen werden, dass ebendiese Engländer neben Rumänien und Aserbaidschan jedes Jahr die grauenhaftesten Interpreten zum Eurovision Song Contest schicken und diese grundsätzlich als „ our strongest in years“ – „unsere Stärksten seit Jahren“ – ankündigen. Schauen wir uns doch mal ein paar starke englische Teilnehmer der letzten Jahrzehnte an: Zum Beispiel Kenneth McKellar – Typ Versicherungsberater
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