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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Autoren: Nina Puri
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im Schottenkilt, der 1966 mit seinem No-Hit-Wonder A Man without Love die längsten drei Minuten der Welt bestritt. Oder Black Lace – die Band, bei der sich zwei Mitglieder mit Suzi-Quatro-Frisur eine Gitarre teilten und einer von ihnen dazu Mary Ann röhrte wie Rod Steward in einer Tupperdose. 1991 versuchte die Eastender Darstellerin Samantha Janus, ganz Nicole, mit ihrem Song A Message to Your Heart die Ungerechtigkeit der Welt zu bekämpfen – und bekämpfte dabei die Augen und Ohren von Millionen von Europäern. 2003 schafften Jemimi mit Cry Baby, was kaum ein Eurovisionsteilnehmer schafft: nämlich null Punkte zu bekommen. Ein Debakel, das die Engländer darauf schoben, dass England sich zu dem Zeitpunkt im Krieg gegen Irak befand. Andere begründeten es damit, dass die Interpreten keinen einzigen Ton halten konnten. Daz Sampson trug im Jahr 2006, umrahmt von Mädchen in Schuluniform, eine Art Rap-Song vor und schunkelte dazu, als sei er im ZDF Fernsehgarten. 2011 schließlich versuchte die Boyband Blue, sich mit einem erstaunlichen Mix aus schlecht sitzenden Kostümen, holziger Choreographie und dem Song I can auf Platz 1 vorzutänzeln und wurde glatt von Moldawiern mit gigantischen Eiswaffeln auf dem Kopf besiegt. Ich sage nur: Manche Dinge möchte man für immer aus seinem Gedächtnis löschen. Dass alle diese englischen Künstler fernab der ersten Plätze landeten, war allerdings natürlich von der ersten Sekunde abzusehen und, da bin ich sicher, nicht bloßem Pech zu verdanken, sondern gewieftem englischen Kalkül. Schließlich: Wer will schon den Grand Prix gewinnen und als Strafe im folgenden Jahr die gesamte bucklige Eurovision-Song-Contest-Bagage mit ihren seltsamen Kostümen, Sprachen und Essensgewohnheiten zur Revanche ins eigene Land einladen müssen. Das Ganze for a pocketful of fluff and buttons ? – für’n Appel und’n Ei also. Das, wo die Engländer ja obendrein, wir sprachen bereits darüber, nichts so unangenehm finden wie Besuch? Die Briten sind ja nicht blöd. Dann doch lieber auf den unteren Plätzen herumdümpeln, schön in Ruhe gelassen werden und sich auf das konzentrieren, was die Engländer am besten können: weiterhin die schönste Popmusik der Welt machen. 43
    Ein weiteres englisches Musikphänomen heißt Cliff Richards. Schon mal den Namen gehört? Der Popsänger, der übrigens auch zweimal am Eurovision Song Contest teilnahm, ist so etwas wie ein englisches Nationalheiligtum. Er hat mit Songs darüber, dass Küsse und Blumen schön und Trennungen blöd sind, mehr Platten verkauft als die Beatles, hat seit den 50ern in jedem Jahrzehnt einen Top-1-Hit gelandet und außerdem 70 Top-10-Hits, 97 Top-20-Hits und 125 Top-40-Hits! Er wurde von der Queen noch vor Paul McCartney, Mick Jagger und Elton John zum Ritter geschlagen, sieht mit siebzig Jahren ungebotoxt aus wie der junge Chris Roberts, fährt ständigen Gerüchten, dass er tot sei, zum Trotz mit Rollschuhen über die Bühnen seiner ausverkauften Konzerte. Es gibt Cliff-Richards-Wein, Cliff-Richards-Parfüm, und Cliff-Richards-Kinderbibeln – denn obendrein ist er der bekannteste in England lebende Christ. Bekannter noch als der stoffelige und vollbärtige Erzbischof von Canterbury, was diesen ziemlich wurmen dürfte. Gegen Cliff Richards können Udo Jürgens und Herbert Grönemeyer einpacken. Und ich kann an dieser Stelle endlich gestehen, dass ich mit acht Jahren unsterblich in Cliff Richards verliebt war. Vielleicht liest er diese Zeilen ja und holt mich nach all den Jahren (in denen zumindest er angeblich noch immer Jungfrau geblieben ist) endlich auf seinen weißen rollerblades ab?
    Apropos deutsche Musiker: Obwohl die Engländer Deutschen gegenüber ja, um es vorsichtig auszudrücken: eher zurückhaltend gestimmt sind, schwärmen einige jüngere Engländer für den sogenannten Krautrock . Damit sind legendäre deutsche Rockgruppen wie Kraftwerk, Can, Tangerine Dream oder Popul Vuh gemeint. Und es gibt auch vereinzelt Fans von deutschen Bands wie Ideal oder Trio, deren Hit „Dadada“ wahrscheinlich prima der englischen Vorstellung von gnadenlos deutscher Effektivität entspricht. Bei diesen Fans handelt es sich aber eher um eine gesellschaftliche Minderheit, die von echten Engländern skeptisch beäugt wird, weil sie auch anderen kontinentalen Kram wie Berlin, Salami und Kaffee schätzt. Tatsächlich würde kein echter Engländer auf den Gedanken kommen, dass deutsche Musik zu etwas taugt. Die meisten denken, dass
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