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Puppengrab

Puppengrab

Titel: Puppengrab
Autoren: Kate Brady
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jedes Detail der Umgebung.
    Who saw him die? I, said the Fly, with my little eye 

    »Aufhören«, raunzte Chevy mit knirschenden Zähnen.
    Fünf Herzschläge lang lauschte er bloß, dann atmete er aus.
Mach weiter, die Frau wartet.
Er legte die Puppe mit ein paar Metern Abstand auf den Boden, damit sie keine Spritzer abbekam. Dann holte er ein Cuttermesser aus der Tasche und bewegte sich wieder auf die Tänzerin zu.
    Ihr Kreischen ließ ihn in der Bewegung verharren. Mist, fast hätte er etwas vergessen.
    Chevy drückte gleichzeitig die Tasten »Play« und »Record«, dann hockte er sich neben die Schulter der Tänzerin. Ihr Wimmern, nun von dem Band aufgenommen, klang zwar wegen des gebrochenen Kiefers verzerrt, aber doch atemberaubend. Es wurde schriller, als er sich über sie beugte.
    Nun würden nicht mehr viele Geräusche folgen.
    Mit rasendem Puls machte sich Chevy an die Arbeit und sah dabei immer wieder zu der Puppe hinüber. Er konzentrierte sich darauf, seine Hand ruhig zu führen. Als er fertig war, ließ er sich zurückfallen und wurde von dem Drang zu weinen übermannt. Wenige Minuten später machte es »klick«.
    Das Band war zu Ende.
    Er öffnete die Augen und betrachtete sein Werk. Ein wenig unordentlich, aber trotzdem gelungen. Dann nahm er seine . 38 er Ruger aus der Sporttasche und wischte die Schläfe der Frau ab. Sie bekam davon nichts mehr mit, ihre Schluchzer waren kaum noch zu hören, als wüsste sie, dass es vorbei war. Chevy maß einen Abstand von knapp drei Zentimetern nach oben und markierte die Stelle mit einem Augenbrauenstift. Dann legte er die Mündung genau dort an. Und drückte ab.
    Eine herrliche Stille trat nach dem Schuss ein. Chevy hielt den Atem an, doch er wusste, dass das Singen jetzt nicht mehr zurückkommen würde. Es kam nie zurück, wenn die Schreie zuvor gut gewesen waren.
    Er befreite die Tänzerin von ihren Fesseln und legte ihren Körper so zurecht, wie es ihm gerade gefiel. Dann gab er sich zehn Minuten Zeit, um alles zusammenzusuchen, wonach die Spurensicherung stundenlang das Gelände durchkämmen würde: das Cuttermesser, die Waffe und die Patronenhülse, den Kassettenrecorder, die Seile und Zeltstangen. Er legte alles in seine Sporttasche zurück, achtete darauf, auch die letzte Styroporflocke mitzunehmen. Als er eine davon in seine Hosentasche schob und die Hand zurückzog, flog ein Stück Schokoverpackung aus der Tasche. Er bemerkte es und hob es auf. Vor Erleichterung klopfte sein Herz schneller. Der Trick bestand darin, schlau zu sein und sich keine Fehler zu erlauben.
    Außerdem konnte ein wenig Glück nicht schaden.
    Chevy sah sich noch einmal um und machte sich dann an den Abstieg, seine Tasche und den Karton tragend. Er hielt alle zwanzig Meter an und sah auf das Handy der Tänzerin. Als er die Hälfte der Strecke geschafft hatte, erklang eine kleine Trance-Melodie: Das Handy war mit einem Netz verbunden.
    Sein Puls ging schneller. Auf diesen Moment hatte er gewartet, sich den Augenblick dieses Telefonats sieben lange Jahre in seinen Träumen ausgemalt.
    Das Spiel konnte beginnen.
     
    Arlington, Virginia
    Mitternacht. Im Haus war es ruhig, das Kind schlief schon lange. Eine Hundert-Watt-Birne schien grell auf die gelbe Matte hinunter, im Keller war die Luft von dem Geruch nach Schweiß und Leder getränkt. Die Stille wurde von widersinnigen Geräuschen der Gewalt durchbrochen. Grunzen, Schläge und atemloses Keuchen. Gelegentlich ein Quietschen von Gummisohlen.
    Das Telefon.
    Beth Denison verzog das Gesicht. Sie atmete tief ein und spürte, dass sich die Luft wie nasser Sand auf ihre Lungen legte. Dann trat sie einen Schritt zurück. Einatmen, konzentrieren, im Gleichgewicht bleiben. Zuschlagen. Ihre Faust traf auf einen Hundertfünfzig-Kilo-Sandsack. Dann ein kräftiger linker Haken, gefolgt von einem Roundhouse-Kick, der einem Angreifer die Luftröhre zertrümmert hätte. Sie duckte sich, als der Sandsack zurückschwang, drehte sich und trat an die Stelle, wo bei einem normal gewachsenen Mann die Eier saßen.
    Das Klingeln hatte aufgehört.
    Keuchend stützte sie die Hände auf den Knien ab. Diesmal war keine seltsame Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen worden, kein Stöhnen oder Keuchen. Vielleicht begann sich der Anrufer allmählich zu langweilen. Sie richtete sich auf und machte die Finger lang. Der Schmerz in jedem einzelnen ließ sie zusammenzucken. Morgen würde sie dafür bezahlen müssen, dass sie keine Schutzkleidung angelegt
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