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Puppengrab

Puppengrab

Titel: Puppengrab
Autoren: Kate Brady
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Augen deiner Frau und Kinder nicht so schnell eine Kugel in den Kopf jage wie hier.«
    Schweigen.
    »Stimmt doch, oder?«
    Neil schloss die Augen, doch die Bilder ließen ihm keine Ruhe: Videoaufnahmen seines Bruders beim Besuch eines Flüchtlingscamps. Wie er rannte und rannte, doch der Boden unter ihm explodierte, und Mitch flog durch die Luft. Neil blinzelte, um die Bilder loszuwerden. »Es wäre ein Leichtes, mir die Birne wegzuschießen.«
    »Aber es war nicht dein Job, die Angriffe zu beenden, Neil. Sentry ist eine Sicherheitsorganisation.«
    »Stimmt. Und ich habe mich um die Sicherheit des Mistkerls gekümmert, der ein Flüchtlingscamp in die Luft gesprengt hat und dabei fast meinen Bruder umgebracht hätte.«
    Rick verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Wo ist Mitch jetzt?«
    »In der Schweiz. Er versucht dort, wieder gesund zu werden. Mit zwei Sätzen hat er schon große Fortschritte gemacht:
Meine Schuld
und
Verpiss dich.
«
    »Oh, und ich dachte, auf die hättest du allein das Urheberrecht«, murmelte Rick, während er drei Tabletten gegen Sodbrennen aus einer Verpackung drückte. »Flieg mit mir nach Washington D. C. Ich bin gerade an einem interessanten Mordfall dran.«
    Neil betrachtete ihn, als sei er ein Außerirdischer. »Mordfälle interessieren mich schon seit neun Jahren nicht mehr.«
    »Vor drei Tagen wurde eine Frau in der Nähe von Seattle umgebracht.«
    »Interessiert mich nicht.«
    »Heute Morgen wurde ihr Leichnam von Wanderern gefunden.«
    »Interessiert mich nicht.«
    »Sie war eine Tänzerin, sechsundzwanzig Jahre alt und hatte eine Tochter im Kindergartenalter.«
    Neil schloss die Augen.
    »Es könnte derselbe Mörder sein wie …«
    »Es. Interessiert. Mich. Nicht.« Neil zischte die Worte hervor und presste dabei die Kiefer so fest zusammen, dass er sich für einen Moment fragte, ob man sich die eigenen Backenzähne brechen konnte. Er griff nach der nächstbesten Flasche, doch Rick war schneller und warf sie quer durchs Zimmer.
    Die letzten kostbaren Tropfen des Vergessens spritzten gegen die Tapete.
    »Jetzt sieh nur, was du angerichtet hast«, maulte Neil, als er aufstand. »Das war die letzte Flasch…«
    Rick sprang auf ihn zu und hatte Neil innerhalb von zwei Sekunden rücklings gegen die Wand gepresst. »Alles deutet auf Anthony Russell hin, du dämliches, selbstverliebtes Arschloch!«, sagte Rick, während er Neils Arme in schmerzhaftem Griff umklammert hielt. »Es kann sein, dass dieser Mord von
Anthony Russell
verübt wurde!«
    Neil bekam keine Luft mehr. Es dauerte einige Sekunden, bis sich seine Lungen wieder füllten, und als er zu Atem gekommen war, stieß er Rick heftig von sich. »Verpiss dich!«, rief er, doch nach zwei Schritten wirbelte er zu Rick herum. »Außerdem ist Anthony Russell tot. Ich habe ihn erschossen.«
    »Nachdem er einen Gerichtsdiener überwältigt und aus seiner eigenen Gerichtsverhandlung geflohen war. Ich weiß.« Eine Ader pulsierte an Ricks Schläfe. »Aber trotzdem waren wir uns nie ganz sicher, oder? Ich meine, dass er die Studentin umgebracht hat.«
    »Er hatte gestanden. Wie sicher willst du denn noch gehen?«
    »Ich meine …«
    »Was?
Was
meinst du?«, drängte Neil. »Anthony Russell hat Gloria Michaels nach einer Verbindungsparty entführt. Dann hätte er sie fast erstochen, um ihr anschließend sicherheitshalber eine Kugel in den Kopf zu jagen. Und als der Kerl aus der Untersuchungshaft geflohen ist, habe ich ihn getötet. Es ist also ganz egal, wie diese Frau aus Seattle aussehen mag – es ist vollkommen unmöglich, dass sie ein Opfer von Anthony Russell ist.«
    »Glorias Leiche war nicht dort, wo sie seinen Angaben nach hätte liegen müssen.«
    Ein Funken Zweifel versetzte Neil in Unruhe. Es war nicht das erste Mal.
    »Aber dieses Schwein hat den Mord
gestanden.
«
    »Nachdem der Staatsanwalt im Gegenzug das Strafmaß für drei andere Delikte verringert hatte.«
    Der pochende Schmerz in Neils Schädel regte sich erneut. Die Beweggründe für Anthony Russells Geständnis waren eigentlich nie hinterfragt worden. Sie hatten ein Geständnis gehabt, mehr hatte niemanden interessiert. »Und warum kommst du mit dieser ganzen Sache überhaupt zu mir?«
    »Als ich den Mordbericht über die Frau in Seattle las, kam mir einiges bekannt vor.«
    »Und was war das?«
    Rick zählte die Punkte an den Fingern ab. »Eine Frau verschwindet mit ihrem Auto. Das Auto wird abgestellt aufgefunden und ist blitzsauber. Ein paar Tage später wird der
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