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1725 - Hängt die Hexe höher

1725 - Hängt die Hexe höher

Titel: 1725 - Hängt die Hexe höher
Autoren: Jason Dark
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Wie kann man nur so dämlich sein und seine Handtasche auf dem Friedhof vergessen? Absolut unterirdisch, würde ihr Enkel jetzt gesagt haben. Clara Duffin war die Oma. Noch keine siebzig, war gut dabei, stand voll im Leben, und jetzt das.
    Handtasche vergessen. Darin befand sich der Schlüssel zu ihrer Wohnung. Sie musste wieder zurück zum Friedhof, wo die Tasche sicherlich noch am Grab ihres Mannes stand. Und das zu einer Zeit, in der das Tageslicht allmählich schwand und sie sich deshalb beeilen musste, um nicht in der Dämmerung durch das Gelände zu laufen.
    Es war ein kleiner Friedhof, auf dem ihr verstorbener Mann zur letzten Ruhe gebettet worden war. Manche bezeichneten den Friedhof als verwunschen, andere Menschen wiederum mieden ihn völlig, doch Clara Duffin nahm ihn einfach so hin, wie er war. Seit dem Tod ihres Mannes war er für sie zu einem Stück Heimat geworden, dem sie immer wieder einen Besuch abstattete.
    Abgeschlossen wurde das Gelände nie. So konnten die Menschen auch in der Nacht herumstromern, aber das taten nur die wenigsten. Auch Clara wäre lieber zu Hause geblieben, als mit ihrem Fahrrad an der Mauer entlang zu fahren, um den Eingang zu erreichen.
    Das Tor bestand aus zwei Gitterhälften. Nachdem sie ihr Fahrrad an der Mauer abgestellt hatte, drückte sie die rechte davon nach innen und betrat das Gelände, was für sie eigentlich ganz normal war.
    An diesem Vorabend nicht.
    Da blieb sie nach wenigen Schritten stehen und schaute auf ihre Handrücken. Dort sah sie die Gänsehaut. Auch auf ihrem Rücken kribbelte es. Es war ein ihr zwar nicht fremdes Gefühl, aber auf dem Friedhof hatte es sie noch nie erwischt. Darüber machte sie sich zwar keine Sorgen, empfand es aber schon als komisch.
    Noch hatte die Dämmerung den Tag nicht abgelöst. Entsprechend gut war auch ihr Blick. Er streifte durch die Lücken der alten Bäume, die bereits ihre Blätter bekommen hatten, weil der Frühling sich einfach nicht aufhalten ließ.
    Es gab kein Grab, das nicht geschmückt worden wäre. Sie sah die unterschiedlichen Steine, aber auch die Kreuze und Figuren. Die alte Leichenhalle stand schon lange Jahrzehnte. Sie lag nicht weit von der Kapelle entfernt, die aus ebenso grauen Steinen gebaut worden war wie die Leichenhalle.
    Rechts davon breitete sich der Friedhof aus. Ein altes Gräberfeld, auf dem auch das Grab ihres verstorbenen Mannes zu finden war. Es gab so etwas wie einen Hauptweg, von dem schmale Pfade abzweigten. Clara wusste genau, welchen Weg sie gehen musste. Sie hätte es auch mit verbundenen Augen geschafft. Dann hätte sie nur den frischen Geruch aufgenommen, den die Natur über den Friedhof gelegt hatte.
    Sie hatte keinen Blick für die Gräber der anderen. So schritt sie zielgerichtet weiter und ging auch recht flott. Etwas, was sie sonst eigentlich nie tat. Sie hatte dabei das Gefühl, getrieben zu werden, und erneut verspürte sie einen Druck in der Brust.
    Etwas war nicht mehr so wie sonst.
    Wenn sie sich umschaute, war nichts zu sehen. Sie entdeckte auch keinen weiteren Besucher, was für diese Zeit normal war. Unter den starken Ästen der Bäume schritt sie herum und blieb erst dann stehen, als sie das Grab erreicht hatte.
    Es lag an der Ecke. Zwei Wege kreuzten sich hier, und Clara Duffin hatte keinen Blick für das Grab. Sie musste immer an die Handtasche denken und an den Schlüssel, der darin steckte. Sie sah die Tasche am Kopfende des Grabes stehen. Direkt neben der Gießkanne, die etwas schräg stand und ihr den Blick auf das Grab verwehrte.
    Sie wunderte sich nicht darüber, dass ihre Tasche dort noch stand. Hier stahl niemand etwas, und Fremde verirrten sich kaum auf diesen alten Friedhof.
    Das Grab war mit einem ovalen Stein geschmückt, auf dem der Name des Verstorbenen zu lesen war, nebst seinen persönlichen Daten. Greg war vor zwei Jahren gestorben. Er war fünfzehn Jahre älter als seine Frau gewesen. Ein plötzlicher Herzinfarkt hatte ihn dahingerafft.
    »Hättest mir auch eine Botschaft geben können, du alter Knurrhahn«, murmelte sie. Das war ihr nicht neu, denn wenn sie das Grab besuchte, sprach sie immer mit dem Verstorbenen.
    Clara nahm die Tasche an sich. Der Leinenbeutel hing an zwei halbrunden Holzgriffen. Sie wollte nicht nach dem Schlüssel suchen, aber auf Nummer sicher gehen und bewegte die Tasche deshalb heftig hin und her. Sie war zufrieden, als sie das klirrende Geräusch hörte.
    Sie blieb noch eine Weile vor dem Grab stehen. Sie nickte dem Grabstein
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