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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon
Autoren: Andreas Wilhelm
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Mann weggefahren.
    Sie betraten eine hohe, fast leere Halle, die in dunklem, poliertem Stein gehalten war. Der Fahrer wies sich am Empfang aus und erhielt einen Ausweis, den er dem Professor überreichte.
    »Klemmen Sie sich den bitte an Ihre Brusttasche.« Er deutete auf einen Torbogen, neben dem zwei Sicherheitsbeamte standen. Es war offenbar eine Art Metalldetektor wie am Flughafen. »Gehen Sie dann bitte durch die Schleuse und nehmen Sie den Fahrstuhl vier. Er bringt Sie in den dreiundzwanzigsten Stock, wo man Sie erwartet. Einen schönen Tag noch, Herr Professor Lavell.«
    »Ja, danke, Ihnen auch.« Mit skeptischem Seitenblick schritt Peter durch den Detektor und an den stämmigen Wachmännern vorbei. Die Tür des Fahrstuhls mit der Nummer vier war bereits geöffnet. Peter suchte die Knöpfe, aber der Aufzug schloss sich bereits und setzte sich so rasant in Bewegung, dass er die Beschleunigung unangenehm im Magen fühlte. Nur wenige Augenblicke später bremste der Fahrstuhl sanft ab, die Tür glitt auf, und eine junge Frau bat ihn, ihr zu folgen. Sie gingen durch einen mit einem weichen, dunkelblauen Teppich bedeckten breiten Flur, gesäumt von modernen Gemälden und einigen durch Halogenstrahler beleuchtete Sockel mit vielfältigen Kunstobjekten. Schließlich gelangten sie in eine Art Foyer, in dem sich eine Gruppe schwarzer Ledersessel und ein Tisch aus Glas und Chrom befanden.
    »Bitte warten Sie hier einen Augenblick, möchten Sie etwas trinken, Monsieur?«
    Er lehnte dankend ab und setzte sich. Das Ambiente wirkte höchst seriös und professionell. Dennoch fragte er sich seit Stunden immer wieder, worauf das alles hinauslaufen würde. Er hatte schon überlegt, ob seine Vorlesungsreihe oder sein Buch jemandem mit gewichtiger Befugnis, einer höheren Macht, sauer aufgestoßen sein konnte. Nicht, dass ihn das von seiner Meinung oder seiner Arbeit abgehalten hätte oder beunruhigen würde. Aber eigentlich war das Echo seit einem halben Jahr eher bescheiden, und sonderlich provokant waren die letzten Aufsätze auch nicht gewesen. Vielleicht wollte man ihn auch für Lesungen, Diskussionen oder Interviews buchen? Indes bezweifelte er, dass ein Papiertiger der Vereinten Nationen den Gehalt geschweige denn die Tragweite seiner Arbeit verstand oder zu schätzen wusste. In jedem Fall war er der Umgebung angemessen gekleidet. Er trug einen sehr schlichten, anthrazitfarbenen Anzug, den er sich in Italien hatte schneidern lassen, dazu ein Stehkragenhemd im selben Ton und schwarze Schuhe. Krawatten vertrug er nicht, er glaubte immer gleich ersticken zu müssen, und außerdem wirkten sie zu bürokratisch. Die Leute sollten ihm ins Gesicht sehen und nicht auf seinen Schlips.
    An der anderen Seite des Tisches saß ein Mann, der den Professor unverblümt beobachtete. Peter schätzte ihn auf Mitte dreißig. Seine Bemühungen, sich herauszuputzen, waren entweder peinlich oder absichtlich fehlgeschlagen. Nicht sehr, aber bemerkbar. Der Dreitagebart war etwas zu lang und wirkte raubeinig, der Schlips war angesteckt, nicht geknotet, und die Schuhe waren zwar geputzt, aber stark abgelaufen. Sein Gesicht war freundlich und sonnengebräunt. Man spürte einen Hauch von Respektlosigkeit in seiner Haltung, nicht zuletzt daran, dass er in offensichtlich bewusster Ermangelung eines Aschenbechers trotzdem rauchte und in den Kübel einer Zimmerpalme aschte.
    »Monsieur le Professeur Lavell, Monsieur Nevreux, wenn Sie eintreten möchten.« Eine Tür hatte sich geöffnet, und die junge Frau, die bereits am Fahrstuhl gewartet hatte, winkte die beiden herbei. »Madame de Rosney erwartet Sie, bitte sehr.« Sie führte sie durch eine Art Sekretariat und öffnete ihnen eine weitere Tür am anderen Ende des Raums.
    Sie betraten ein großzügiges Büro mit breiter Fensterfront. Den Raum beherrschten ein gewaltiger Mahagonischreibtisch und ein Fahnenständer mit den beiden Flaggen der Vereinten Nationen und Europas. Hinter dem Schreibtisch war eine eindrucksvolle Satellitenkarte Europas angebracht. Eine streng aussehende Frau Ende vierzig mit grauen Haaren, einer modernen Kurzhaarfrisur und einem dunkelblauen Hosenanzug war gerade aufgestanden. Als die beiden Männer herantraten, streckte sie ihnen über den Tisch eine Hand entgegen.
    »Es freut mich, dass Sie beide kommen konnten. Bitte setzen Sie sich.« Sie nahm selbst auch wieder Platz und lehnte sich auf ihre Unterarme. Der Schreibtisch war leer bis auf zwei nebeneinander liegende Mappen, die
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