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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon
Autoren: Andreas Wilhelm
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bewusst zunächst keine anderen Europäer oder Amerikaner ansprechen, da er hoffte, dass man Portugiesen und Brasilianer durch ihre Verbundenheit mit dem Land leichter für ein Projekt im Regenwald begeistern und gewinnen konnte. Ob das stimmte, war natürlich fraglich. Es gab einige amerikanische Konzerne, die investitionsfreudiger waren und die über eine ebenso gute technische wie soziale Infrastruktur in Brasilien verfügten. Doch der Gedanke an Mineralölkonzerne oder andere Multis aus den Staaten missfiel ihm aus Prinzip. Vielleicht war es auch Idealismus. Eine Pharmafirma war freilich nicht viel besser, aber immerhin war sie so gut wie einheimisch, und irgendwie hatte er sich mehr von Lusomédic versprochen.
    Nachdem er den Briefkasten geleert hatte, ließ er sich in seiner Wohnung auf die Couch sinken. Von hier hatte er einen wunderbaren Blick auf ein Industrieviertel und ein halbes Dutzend Baukräne. Es war nicht die beste Gegend, und auch das Apartment war winzig und abgewohnt. Dass der alte Gasboiler im Badezimmer noch funktionierte, grenzte fast an ein Wunder und ließ Patrick jedes Mal wieder schaudern. Aber das Ding hatte so lange gehalten, weshalb sollte es in den paar Wochen in die Luft fliegen, die er hier verbrachte?
    Es war erstaunlich, wie viel Post er täglich bekam. Immerhin wohnte er hier nur vorübergehend. Kaum einer kannte diese Adresse. Aber meistens waren es ohnehin nur Flyer, Prospekte oder andere Wurfsendungen. Ein Brief war diesmal allerdings dabei, der seine Aufmerksamkeit erregte. Er war offensichtlich per Express zugestellt worden; erstaunlich, dass er den Empfang nicht hatte bestätigen müssen. Auf dem Umschlag prangte das Symbol der Vereinten Nationen, ein Absender war allerdings nicht angegeben. Der Brief enthielt ein kurzes Anschreiben und Instruktionen, laut denen er sich persönlich ein Flugticket in einem Büro in der Stadt abholen sollte. Er würde sich beeilen müssen: Der Flug nach Genf ging noch an diesem Abend.

Kapitel 4

    22. April, Hôtel du Lac, Genf

    Peter Lavell hatte gerade seine zweite Tasse Tee geleert, als ein Ober an seinen Tisch trat und ihn darauf aufmerksam machte, dass soeben ein Fahrer eingetroffen sei und draußen auf ihn warte.
    Der Professor sah auf seine Uhr und bewunderte das Timing der Organisatoren. Er hatte am Tag zuvor in großer Eile einen kleinen Koffer gepackt und war der mysteriösen aber anscheinend hochoffiziellen Einladung gefolgt. Am Flughafen in Genf hatte man ihn ausgerufen und ihm an der Information einen Umschlag überreicht. Wieder hatte er nur ein kurzes Anschreiben gefunden. Daneben aber auch eine Reservierung für ein Hotelzimmer in einem der besten Häuser der Stadt samt Magnetkarte, die Vorbestellung in einem Restaurant mit Blick auf den Genfer See sowie eine Theaterkarte. Alle Kosten würden übernommen, hieß es in der beigefügten Notiz, die auch die Bitte enthielt, um 8.30 Uhr abreisebereit im Hotel zu sein.
    Peter ließ die Überreste des vorzüglichen Frühstücks zurück und begab sich nach draußen.
    »Herr Professor Peter Lavell?« Ein vornehm gekleideter Mann mit weißen Handschuhen kam auf ihn zu.
    »Oui, c'est moi.«
    »Sie können Deutsch sprechen, Monsieur. Bitte folgen Sie mir, ich fahre Sie zum UN-Gebäude. Wenn Sie mir Ihren Koffer geben möchten?« Er führte den Professor zu einem schwarzen Mercedes mit verdunkelten Scheiben.
    Genf war eine wunderbar grüne Stadt. Ihre Lage am See und umringt von den Bergen sorgte für eine ganz besondere Atmosphäre: gemütlich und nobel zugleich. Peter hatte am Abend auf den Theaterbesuch verzichtet, war zwei Stunden am Seeufer entlangspaziert und hatte die Schwäne und die Yachten bewundert. Man kam sich ein wenig eingeschlossen und abgeschieden vor, fast wie im Urlaub. Aber dann wiederum waren alle wichtigen Nationen und internationalen Organisationen von der UNESCO über die WHO bis zur UN hier vertreten, die Stadt war vielerorts geprägt von überaus gepflegten Rasenflächen und blauspiegelnden, verglasten Hochhäusern mit Fahnenmasten, Überwachungskameras und Sicherheitspersonal.
    Die Fahrt dauerte nicht lange und endete vor einem eindrucksvollen Bürogebäude, ebenso modern und verspiegelt wie scheinbar alles, was hier in den letzten zehn oder zwanzig Jahren gebaut worden war. Der Fahrer stoppte den Wagen direkt vor dem Eingang, übergab Peter seinen Koffer und führte ihn durch die Drehtüren in den Turm. Das Auto wurde unterdessen von einem ähnlich gekleideten
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