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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon
Autoren: Andreas Wilhelm
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gefalteten Bierdeckel einen der schmiedeeisernen Füße des Tisches zu fixieren. Dabei hoffte er, weitere Gesprächsfetzen aufschnappen zu können, aber die beiden Männer schwiegen, bis er sich wieder anderen Gästen zuwenden musste.
    »Senhor Macieira-Borges, es scheint, dass ich Sie nicht vom Erfolg des Unternehmens überzeugen kann.«
    Der Angesprochene, ein stämmiger Portugiese mittleren Alters in einem etwas unmodernen aber maßgeschneiderten Dreiteiler, rückte einen Manschettenknopf zurecht und ergriff mit seinen speckigen Fingern den winzigen Henkel der Espressotasse. Es sah aus, als versuche jemand mit Hilfe zweier Bockwürste einen Briefkastenschlüssel zu bedienen, aber es funktionierte.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das tatsächlich überrascht«, sagte er und pustete leicht auf seinen Kaffee, um ihn ein wenig abzukühlen.
    »Wenn ich, wie vorgeschlagen, einen oder zwei Botaniker oder Chemiker Ihrer Firma der Expedition anschließe, ist Ihr Investitionsrisiko doch gleich null.«
    »So wie auch Ihres, nicht wahr, Senhor Nevreux?« Der Portugiese nippte an seinem Kaffee und sah den Franzosen dabei über den Tassenrand hinweg an.
    »Natürlich, wenn Sie so wollen. Eine Hand wäscht die andere!« Patrick Nevreux verspürte zum ersten Mal in diesem Gespräch wieder so etwas wie ein Fünkchen Hoffnung und drückte wie zur Bekräftigung seine Filterlose aus.
    »Ja, so sagt man: Eine Hand wäscht die andere... genau ...« Der Geschäftsmann setzte seine Tasse behutsam ab. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. »Nun gut«, hob er dann an, »ich will ehrlich mit Ihnen sein. Es geht nicht um Geld. Beträge, wie Sie sie nennen, geben wir monatlich für das Design neuer Tablettenpackungen aus. Packungen, die Ihnen der Arzt oder Apotheker in die Hand drückt, die Sie aufmachen und in den Müll werfen. Vom Jahresgehalt meines Laborleiters in Brasília könnten Sie zehn Expeditionen finanzieren. Es geht nicht um Geld, ganz und gar nicht.« Er machte eine dramatische Pause und leerte derweil seine Tasse. Patrick Nevreux zündete sich eine neue Zigarette an und ging im Kopf bereits resigniert die Liste der anderen Geschäftsmänner durch, die er in Lissabon noch treffen wollte, als der Portugiese fortfuhr: »Bedenken Sie, dass die Stadt, die Sie suchen – unabhängig davon, was ich persönlich glaube – für den Rest der Welt ein Märchen ist. Meine Firma ist nicht deswegen das größte Pharmaunternehmen Südamerikas und eines der innovativsten in Europa, weil wir Märchen hinterherjagen würden. Wir sind hochmodern und schnell, aber deswegen sind wir auch unter ständiger, genauer Beobachtung durch unsere Konkurrenz. Ich kann es mir unmöglich leisten, mich in ein Projekt wie das Ihrige zu involvieren. Das kleinste Gerücht darüber – und das ließe sich nicht vermeiden, glauben Sie mir –, das kleinste Gerücht würde unsere Seriosität erschüttern.«
    »Ich verstehe...« Patrick blies leicht entnervt eine Rauchwolke nach oben.
    »Noch dazu sind Sie ja nicht gerade ein angesehener Forscher, wenn ich das mal so sagen darf. Wir haben Sie eingehend überprüft. Mit Ihren Methoden gehen Sie bestenfalls als ein Indiana Jones durch. Ein Dr. Jones für Arme, möchte ich hinzufügen, nach Ihrem Eklat mit der ESA. Bringen Sie mir etwas, das die Existenz der Stadt belegt, dann bin ich der Erste, der sich auf Ihre Seite stellt. Aber so...« Er machte eine entschuldigende Geste und stand auf. »Ich habe nun einen Termin. Eines muss ich Ihnen allerdings zugestehen: Sich mit mir in der Alfama zu treffen, das hat Stil, macht einen vertraut und rührselig. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Senhor Nevreux, vielleicht sehen wir uns wieder.«
    Nachdem der Unternehmer gegangen war, hielt es Patrick nicht viel länger im Café aus. Es stimmte, Macieira-Borges war ein harter Verhandlungspartner. Unverschämt, aber leider im Recht. Patrick nahm sich vor, auf den Portugiesen zurückzukommen, wenn er tatsächlich einmal irgendetwas Handfesteres als seinen persönlichen Enthusiasmus vorzuweisen hatte.
    Er bezahlte und machte sich auf den Weg durch die Gassen der Innenstadt zur nächsten Bushaltestelle. Er fuhr zur Wohnung, die er sich für ein paar Monate gemietet hatte, um hier in Portugal Sponsoren für eine Expedition in Südamerika zu finden. Wenn man sich schon keine Reise nach Brasilien leisten konnte, was lag da näher, als die portugiesischen oder brasilianischen Unternehmer in Lissabon zu treffen? Er wollte
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