Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
PROLOG
    Das Stimmengewirr und die Wärme der vielen Menschen stiegen an die Decke und legten sich zusammen mit dem Rauch der Zigaretten wie schwerer Nebel um die Kronleuchter. An der langen Bar herrschte Gedränge. Es war nicht einfach, vom gestressten Barmann wahrgenommen zu werden. Die Stimmung war ausgelassen, fast überdreht, wie immer in der Bar des Park Aveny Hotels in Göteborg zum Zeitpunkt der jährlichen Buch- und Bibliotheksmesse. Einige Gäste ließen bereits eine gewisse Müdigkeit erkennen. Ein paar bekannte und weniger bekannte Kulturpersönlichkeiten hingen am Tresen oder zusammengesunken in einem Clubsessel und dösten.
    Die Drehtür war unentwegt in Bewegung. Zwischen der Bar und den Grüppchen an den Tischen herrschte reger Verkehr. Jeder behielt die Tür im Auge – für den Fall, dass eine richtige Berühmtheit hereinkommen sollte (was nicht ausgeschlossen war, denn die meisten Promis wohnten in diesem Hotel), aber meist waren es nur Verlagsleute oder Bibliothekare sowie angesäuselte Dichter und Schriftsteller.
    Deswegen konnten sich später auch viele an den Moment erinnern, als sie durch die Drehtür in die Lobby kam und dann stehen blieb. Selbst wenn der übrige Abend verschwommen war – oder in gewissen Fällen gänzlich weg –, registrierten viele Menschen ihren Auftritt. Sie hatte etwas an sich, was weit über gutes Aussehen hinausging. Mehrere Zeugen sprachen von »Ausstrahlung« und »Aura«.
    Sie war groß gewachsen und schlank, trug einen schwarzen Minirock, der nur knapp über den Po ging, und knallrosa glänzende Strumpfhosen. Ihre schwarzen, gestrickten Stulpen waren bis zu den flachen Schuhen hinuntergerutscht. Trotz der niedrigen Absätze wirkten ihre Beine aufsehenerregend lang. Über dem dünnen rosa T-Shirt, das ihre kleinen, spitzen Brüste eher noch betonte als verbarg, trug sie eine kurze, schwarze, mit Nieten übersäte Lederjacke. Sie war ausgesprochen auffallend gekleidet, aber trotzdem war es ihr bleiches Gesicht, das alle Blicke auf sich zog. Es war herzförmig mit hohen Wangenknochen und vollen Lippen, einem Mund wie zum Küssen gemacht. Der gespannte Zug um ihre Lippen gab jedoch deutlich zu erkennen, dass jeglicher Versuch sinnlos wäre, und ihre Augen verstärkten diesen Eindruck noch. Sie waren leicht mandelförmig mit langen, dichten Wimpern, und sie hatte sie mit Hilfe eines kräftigen schwarzen Eyeliners betont.
    Ihre braunen Augen ließen keinerlei Gefühle erkennen. »Die endlose Tiefe ihrer dunklen Augen führte geradewegs zum Eiskeller ihrer Seele«, umschrieb es später ein verkaterter Poet beim Verhör.
    Sie drehte ihren Kopf in alle Richtungen und sah sich im Gewimmel um. Schließlich entdeckte sie das gesuchte Gesicht und begann sich zielbewusst ihren Weg zu einem Tisch ganz hinten im Lokal zu bahnen. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und grazil.
    Ein Mann, der mit dem Rücken zu ihr gestanden hatte, als sie hereingekommen war, ließ einen Moment lang sein beschlagenes Bierglas los, als sie an ihm vorbeiging. Er blies sich auf die Hand und bewegte die Finger, als sei ihm plötzlich kalt geworden. Ein stockbesoffener Kinderbuchautor zog sich umständlich sein fleckiges Jackett an und schwafelte etwas über die Kälte von der Drehtür. Tatsächlich gelang es der jungen Frau ohne größere Mühe, die dichte Menge zu durchschreiten. Bewusst oder unbewusst wichen alle zur Seite.
    Als sie den Tisch erreicht hatte, blieb sie stehen und betrachtete schweigend die lärmende Gesellschaft. Nach und nach bemerkten die schwarz gekleideten jungen Männer und Frauen ihre Anwesenheit, verstummten und sahen sie fragend an. Nur einer schien sie nicht zu bemerken, sondern sang unverdrossen weiter: »Poeira, poeira, poeira. Levantou poeira.«
    Seine Stimme klang tief und angenehm, was ganz seiner Erscheinung entsprach, die sich von der schwarzen Uniformität seiner Freunde unterschied. Ein leuchtend rotes, enges T-Shirt brachte seinen durchtrainierten Oberkörper zur Geltung, und um seine schmalen Hüften schmiegten sich enge Jeans. Eine breite Goldkette funkelte auf seiner milchkaffeefarbenen Haut. Mehrere kleine Goldringe in seinen Ohrläppchen glänzten mit seinen Zähnen um die Wette. Sie sahen sehr weiß aus in dem sonnengebräunten Gesicht.
    Nachdem er sein Lied beendet hatte, betrachtete er gelassen die schweigende Frau, die vor ihm stand, während gleichzeitig ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht glitt.
    »Olá!«, rief er fröhlich.
    Mit einer einladenden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher