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Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz
Autoren: Helene Tursten
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Sophie.
    Nach dem Ballett gegen acht hatte Sophies Mutter Angelica Malmborg-Eriksson die beiden Mädchen abgeholt. Die beiden tanzten in der gleichen Gruppe im Haus des Tanzes klassisches Ballett. Erst waren sie bei Terese Olsén vorbeigefahren und hatten diese abgesetzt, dann waren Sophie und Angelica weitergefahren. Sophie war beim Lebensmittelladen ausgestiegen, um mit ihrem Fahrrad nach Hause zu radeln. Es passte nicht in den Kofferraum des Golfs. Deswegen war Angelica Malmborg-Eriksson allein mit dem Auto bei ihrem Zuhause oder dem, was davon noch übrig war, eingetroffen.
    Irene unterbrach ihre Lektüre und lehnte sich zurück. Sie erinnerte sich, dass der klapprige Golf neben dem Streifenwagen abgebremst hatte. Angelica Malmborg-Eriksson war ausgestiegen, noch ehe der Wagen ganz zum Stillstand gekommen war.
    »Frej! Wo ist Frej?«, hatte sie entsetzt geschrien.
    Ein kleiner Junge kletterte aus einem alten Saab Kombi, der kurz nach Angelica eingetroffen war. Er wirkte nicht ganz sicher auf den Beinen und packte die Hand der großen Frau, die am Steuer gesessen hatte. Es war, als benötigte er ihren Halt. Womöglich hatten ihn das Chaos und die Verwüstung der Brandstätte erschreckt, vielleicht wollte er auch nichts als weg. Der schwere, stechende Brandgeruch hätte wirklich jeden in die Flucht geschlagen. Gemeinsam gingen der Junge und die Frau dann auf die hysterische Angelica zu. Nachdem diese den Jungen entdeckt hatte, rannte sie unter Lachen und Weinen auf ihn zu. Sie presste ihn an sich, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten. Die Frau, die ihn hergebracht hatte, wandte sich an einen der Feuerwehrleute und fragte ihn etwas. Der Mann schüttelte den Kopf und machte eine bedauernde Geste. Mit verbissener Miene kehrte sie zu der Gruppe zurück, zu der sich nun auch Irene und Håkan Lund gesellt hatten. Mit rauer Stimme sagte die Frau: »Sie waren noch nicht drinnen. Als die Feuerwehr eingetroffen ist, hat es schon lichterloh gebrannt. Sie wissen also nicht …« Sie schwieg und warf einen Blick auf den Jungen. Håkan Lund nahm sie beim Arm und zog sie sanft, aber energisch ein Stück weg. »Ist es möglich, dass sich noch jemand im Haus befindet?«, fragte er. Sie biss auf ihre Unterlippe und meinte dann: »Mein Bruder. Magnus Eriksson. Frejs Vater.« Irene betrachtete das flammende Inferno, in das sich das Haus verwandelt hatte. Falls jemand im Haus gewesen sein sollte, war nicht mehr viel übrig von ihm.
    Zwei Tage später stießen die Ermittler der Feuerwehr auf Teile eines Skeletts. Mit Hilfe des Unterkiefers, der fast noch intakt war, hatte der Gerichtsmediziner feststellen können, dass die Knochen von Magnus Eriksson stammten.
     
    Angelica Malmborg-Eriksson war Ballettlehrerin im Haus des Tanzes, unterrichtete aber auch an der Hochschule für Tanz, die Berufstänzer und Choreographen ausbildete. Die Schule lag in Högsbo in einem Schulhaus aus den fünfziger Jahren. Vom Haus des Tanzes bis zum Haus der Malmborg-Erikssons in Björkil waren es fast fünfundzwanzig Kilometer. Da der öffentliche Nahverkehr in Göteborg zu wünschen übrig ließ, mussten Sophie und Tessan zu ihren Ballettstunden gefahren werden. Diese Angaben fanden sich in den Protokollen der ersten Verhöre.
    Dort stand auch, dass Sophie von frühester Kindheit an getanzt hatte. Laut ihrer Mutter hatte sie getanzt, noch bevor sie laufen konnte.
    Alles, was über Sophie in den Akten zu finden war, hatten sie von ihrer Mutter erfahren, da Sophie selber mit den Ermittlern nach dem Brand kein Wort gesprochen hatte. Die Mutter beteuerte, dass Sophie auch mit ihr kaum geredet habe. Das Mädchen blieb stumm und betrachtete die Welt mit ernstem Blick. Offenbar hatte sie jedoch mit ihrem Vater, dem Komponisten Ernst Malmborg, gesprochen. Verzweifelt berichtete Angelica Malmborg-Eriksson dem allmählich recht resignierten Kommissar Andersson, das Mädchen habe sich nach ihrem letzten Besuch beim Vater geweigert, wieder zu ihr zu kommen. Da das Haus in Björkil vollständig abgebrannt war, hatte das Sozialamt Angelica und ihren zwei Kindern eine Wohnung zugewiesen. Ihr gesamtes Hab und Gut war von den Flammen vernichtet worden. Nur ein alter Gartentisch, mit dem sie in der vierten Etage eines Hochhauses in Biskopsgården jedoch nichts anfangen konnten, hatte im Freien das Feuer überstanden. Sophie weigerte sich, bei der Mutter zu wohnen. Äußerst widerstrebend hatte Angelica schließlich erlaubt, dass ihre Tochter beim Vater blieb,
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