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Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz
Autoren: Helene Tursten
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dann die Mappe an.
    »Aber warum ich …? Wenn sie nicht mit dir oder Hans reden will …«
    »Damit hast du deine Frage schon selbst beantwortet. Sie will nicht mit uns reden. Warum? Vielleicht weil wir Männer sind. Das vermuten zumindest die Seelenklempner. Deswegen versuchen wir’s jetzt mal mit dir, weil du eine Frau bist. Außerdem hast du selbst Kinder.«
    Irene fühlte sich ganz schwach. Das hier war ein großer Fall, den man plötzlich auf sie abwälzte. Ein Mann war im Feuer umgekommen, und es gab noch jede Menge offener Fragen. Vieles deutete darauf hin, dass Sophie möglicherweise wichtige Informationen besaß. Und vielleicht sogar mehr …
    »Oder meinst du, dass du damit nicht klarkommst?«, setzte Andersson nach.
    In seinem spöttischen Tonfall schwang eine deutliche Drohung mit. »Kommst du mit solchen Aufgaben nicht klar, dann hast du hier beim Dezernat nichts zu suchen«, lautete die unausgesprochene, aber doch deutlich vernehmbare Warnung.
    Sie spürte einen eisigen Kloß im Magen, dann überlief es sie siedendheiß. Sie zwang sich dazu, seinen Blick zu erwidern, und antwortete mit fester Stimme: »Ich spreche mit ihr.«
    »Gut. Sie kommt morgen.«
     
    Irene saß an ihrem Schreibtisch in dem Büro, das sie sich mit Tommy Persson teilte. Er hatte im letzten Jahr bei der Kripo angefangen und sie dazu überredet, sich ebenfalls dort zu bewerben. Sie hatten sich an der Polizeihochschule in Stockholm kennen gelernt und waren gute Freunde geworden. Anfangs hatte das möglicherweise daran gelegen, dass sie die einzigen Göteborger in ihrer Klasse waren. Ihr Freund, Krister, hatte Tommy gegenüber ein gewisses Misstrauen gehegt. Inzwischen waren sie die besten Kumpel, und Tommy war Kristers Trauzeuge bei der jetzt bald fünf Jahre zurückliegenden Hochzeit gewesen. Irene war damals im siebten Monat schwanger gewesen und fand immer noch, dass sie auf den Hochzeitsfotos aussah wie der Panzerkreuzer Potemkin.
    Mit ihren vierundzwanzig war sie den Zwillingen eine recht junge Mutter gewesen. Ihre Eltern waren bei ihrer Geburt sehr viel älter gewesen, ihre Mutter Gerd sechsunddreißig und ihr Vater Börje fünfundvierzig, interessanterweise hatte zwischen ihnen derselbe Altersunterschied bestanden wie zwischen ihr und Krister.
    »Aha, hier sitzt du rum und träumst!«
    Irene wurde von Tommys munterem Tonfall aus ihren Gedanken gerissen. Sie hatte nicht gehört, wie er die Tür geöffnet hatte. Jetzt kam er mit einem breiten Grinsen herein.
    »Martin sagt Papa! Um genau zu sein … Pa-pa-pa-pa-pa. Und das fast genau an seinem ersten Geburtstag! Frühreif, eben ganz der Vater.«
    Er strahlte vor Stolz. Martin war das erste Kind von Agneta und ihm, und Irene war die Patentante des Jungen. Sie musste lächeln.
    »Toll. Besser gesagt, herzlichen Glückwunsch. Sei froh, solange er nur Pa-pa sagt. Wenn er erst einmal sprechen gelernt hat, wirst du dich in diese Zeit zurücksehnen. Heute Morgen wäre ich fast zu spät gekommen, weil mir Jenny im Kindergarten eine Szene gemacht hat.«
    »Wollte sie nicht dableiben?«
    »Doch, schon, aber sie wollte, dass ich ihr erst einen Tiger verspreche.«
    »Den Tiger, den sie im Garten halten will?«
    »Genau. Dieser Gedanke lässt sie nicht los.«
    Krister und Irene waren an einem schönen Augustsonntag mit den Zwillingen in Borås im Zoo gewesen. Jenny und Katarina waren herumgerannt und hatten sich alle Tiere angesehen. Bei jedem Tier, das sie noch nicht kannten, waren sie vollkommen außer sich gewesen. Katarina hatten die Affen am besten gefallen, während sich Jenny über beide Ohren in die Tiger verliebt hatte. So einen wollte sie haben. Wenn man den Garten ihres Reihenhauses nur hoch genug einzäunte, bestand auch nicht die Gefahr, dass er entkommen würde. Das Argument, dass Tiger gefährlich seien und sicher gerne auch mal an den Bewohnern des Reihenhauses kauten, kümmerte Jenny nicht. Sie wollte einen ganz jungen Tiger aufnehmen, der dann zum liebsten Tiger der Welt heranwachsen würde. Und Fleisch würde er sowieso keines fressen! Zielstrebig hortete sie ihr Geld und verwahrte es in der Spardose, einem roten Plastikschwein. Jenny nannte es ihr Tigerschwein. Ihre gesamten Ersparnisse wollte sie für den Tiger opfern. Am vergangenen Wochenende hatte sie Irene gezwungen, die Sparbüchse zu öffnen, um das Geld zu zählen. Nach einigen Versuchen war es Irene gelungen, den Schraubverschluss am Bauch des Schweins zu öffnen. Langsam zählte Jenny zweiunddreißig Kronen
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