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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard
Autoren: Clockers
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man sowieso nicht
sein. Dafür hatte Rodney Erroll. Strike hatte noch nie so jemanden gehabt,
aber er dachte schon seit längerem darüber nach.
    Rodneys
Laden hieß >Rodney's Place<, ein kleines Loch in einer Seitenstraße des
JFK Boulevard. Rodney hatte den Namen von Hand auf die himmelblauen Presssteine
unterhalb des Fensters geschrieben, gefolgt von einer unvollständigen Liste: >Süßigkeiten,
Sofedrinks, Milch, Spiele<. Selbst wenn es einem auffiel, hatte niemand den
Mumm, Rodney zu sagen, dass er >soft< falsch geschrieben hatte. Rodney
hatte mit einundzwanzig im Gefängnis Lesen und Schreiben gelernt, dort seinen
Highschool-Abschluss nachgeholt und seitdem wie verrückt gelesen und
geschrieben, war besessen von Tests, machte alle möglichen schriftlichen
Prüfungen, nur um zu beweisen, dass er sie bestehen konnte. Er hatte nun
sechzehn Lizenzen: Friseur, Kosmetiker, Immobilien, Reisebüro, Fahrlehrer und
Reparatur von Fotokopiergeräten. Strike wusste, dass Rodney stolz wie Oskar auf
seine Ausbildung per Post war, obwohl er wenig mehr vorzeigen konnte als einen
Haufen gerahmter Diplome, die an den Wänden des Süßigkeitenladens hingen. Er
nutzte niemals eine der Fähigkeiten, die mit all dem Papier einhergingen,
abgesehen von einem gelegentlichen Haarschnitt, wenn er die Mähne von
irgendeinem Bengel nicht länger mit ansehen konnte.
     
    Rodney war
nicht da, als Strike eintrat. Sechs Teenager spielten unter der grellen
Neonbeleuchtung Poolbillard, zwei weitere hämmerten an dem Super-Mario-Spiel
herum: Alle nahmen Strikes Anwesenheit mit verkifftem, maulaffigem Stirnrunzeln
hin. Die Kinder waren keine Clockers. Rodney ließ keinerlei Dealerei im Laden
zu, für Rodney zu arbeiten hieß wirklich arbeiten.
    Strike
wusste das bereits. Er hatte ein volles Jahr hier drin verbracht und fünf
Dollar die Stunde unter der Hand verdient, ganz normale knochenharte
Ladenarbeit ohne Rumspielerei - Inventur, hinter der Kasse sitzen, den Boden
wischen, manchmal fünfzehn Stunden am Tag, dann im Hinterzimmer schlafen, dann
weitere zwölf. Er hatte jeden Augenblick davon genossen und das Gefühl gehabt,
es ginge ihm saugut, bis Rodney ihn eines Tages zu sich rief und ihm eine
andere Art von Arbeit anbot. Jetzt führte Rodney Strike als Nachtmanager von
>Rodney's Place< in den Büchern; sollte Strike jemals mit ein paar
Tausendern erwischt werden, konnte er das Geldbündel damit erklären, dass er
auf dem Weg zur Bank sei, um eine Nachteinlieferung für den Laden zu machen.
Rodney wusste, was er tat, und er berechnete Strike gerade mal fünfhundert
Dollar für den Ehrentitel. Manchmal vermisste es Strike, hier zu arbeiten; sein
Magen tat ihm damals weniger weh, und er hatte das Gefühl genossen, wann immer
Rodney vorbeikam und sich darüber ausließ, wie picobello der Laden doch
aussehen würde.
    Als sie
sich das erste Mal begegnet waren, hatte Rodney Strike völlig verwirrt, als er
ihm sagte, dass er seinen Sprachfehler >bewundere<, weil Strike sich von
solchen Kleinigkeiten nicht abhalten lasse, etwas aus sich zu machen. Rodney
sagte, man könne sehen, dass Strike erkannt habe, dass die einzige Stelle, an
der ein Mann wirklich behindert sein könne, sein Verstand sei, und dass dem
Mann, der seinen eigenen Verstand besiege, die Welt zu Füßen läge.
    Strike
hatte nichts von alldem gewusst, bis Rodney ihm das sagte, doch kaum hatte er
es gehört, begann er auch, daran zu glauben. So machte es Rodney die ganze
Zeit: Er brachte ihm Dinge auf eine Weise bei, dass er das Gefühl hatte, es
schon die ganze Zeit über gewusst zu haben, und sorgte so dafür, dass Strike
sich selbst erkannte. Und manchmal stellte Rodney anderen Leuten Strike als
>meinen Sohn< vor. Rodney wusste eben genau, was er tat.
    Der
einzige andere Typ, der hier drin so hart gearbeitet hatte wie Strike und den
Rodney ebenso mochte wie ihn, war ein Bursche namens Darryl Adams. Darryl war
in vieler Hinsicht wie Strikes älterer Bruder Victor: Kopf gesenkt, eins nach
dem anderen, nie vorschnell mit dem Mundwerk, und Lächeln war auch nicht seine
Sache. Er war still, sauber, zuverlässig, genau so, wie es Strikes Mutter gern
gehabt hätte. Damals hatte Darryl einen Job als Assistent des Geschäftsführers
im >Ahab's<, einem Fastfood ein paar Blocks von Rodneys Laden entfernt,
dieselbe Art Job, die Strikes Bruder drüben in einem Konkurrenzloch namens
>Hambone's< hatte.
    Strike
drehte eine langsame Runde durch den engen Laden, blickte finster drein und
widerstand dem
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