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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula
Autoren: Mikael Niemi
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bringen können.
    Hinterher wollten die Kerle alle mit uns anstoßen. Wie es in Tornedalen üblich war, äußerte keiner ein einziges Wort über den Auftritt, da unnötiges Lob nur zu übertriebenen Projekten und letztendlich Pleiten führte. Aber man konnte ihren Augen ansehen, was sie fühlten.
    Wir setzten uns in eine Ecke und ließen die Limonadenflasche kreisen. Die Jäger dagegen hatten Lust bekommen, ihre Beine zu strecken. Man hatte die erste Betäubungsphase hinter sich und wollte sich jetzt bewegen und diskutieren. Einer von ihnen schwankte zu uns heran und wollte unseren politischen Standpunkt erfahren. Ein anderer wollte von uns wissen, ob es stimmte, was da im Aftonbladet stand, dass die Mädchen heutzutage geiler wären. Auf die Frage des Ersten antworteten wir ausweichend, auf die des Zweiten, dass die Sexlust der Mädchen wahrscheinlich zu allen Zeiten gleich war, das war von außen nicht zu sehen, aber zu merken, wenn man denn halb drinnen war. Worauf er aufdringlichere Fragen stellte, ob wir denn Freundinnen hätten und ob die geil wären und wie oft wir es machten. Und obwohl wir ihn abwiesen, blieb er stur und wollte alle möglichen Details wissen.
    Ich fühlte mich langsam etwas pelzig im Schädel und stolperte auf den Hof hinaus. An dem Schneewall standen ein paar Kerle und versuchten herauszukriegen, ob sie nun schon gepisst hatten oder es noch wollten. Sie entschieden sich für Letzteres und zogen ihre grauen Haken heraus. Die Entscheidung stellte sich als richtig heraus, denn bald kam der Strahl. Der eine Kerl pisste einen Höhenrekord auf den Schneewall, worauf es ihm gleich der nächste nachmachte. Meine junge Blase war wie ein hart aufgepumpter Fußball prall gefüllt und ich schlug sie locker um Längen. Dann schrieb ich außerdem noch meine Initialen unter den Rekord. Die Kerle wurden sauer und drohten, meinen Sack zu teeren. Ich rahmte meine Initialen ein und erreichte ein weiteres Mal meinen eigenen Höhenrekord, bevor sie beschlossen, meine Unterhose mit Schnee zu füllen, aber da war ich bereits auf dem Weg nach drinnen.
    Jetzt erreichte man langsam die zweite Betäubungsphase. Sie war endgültig und sanft wie das weiße Laken des Todes. Ein breitschultriger, bärenhafter Kerl hielt mich auf und wollte mir alles Mögliche erzählen. Er packte mich bei den Schultern und schnurrte mit ernster Miene seinen Text herunter, während seine rotgesprenkelten Augen wie schwere Hummeln herumirrten. Es war unmöglich zu verstehen, was er sagte. Seine Zunge lag dick wie ein Turnschuh in seinem Mund, seine Rede klang matschig wie Lehm. Einer der jüngeren Jäger bekam Lust auf eine
    Diskussion und fing an, ihm zu widersprechen, aber seine Einwände waren genauso undeutbar. Bald waren die beiden in eine hitzige Diskussion verwickelt, wobei keiner von beiden verstand, was der andere sagte.
    Diejenigen, die noch über eine gewisse Redefähigkeit verfügten, klagten über ihren Durst. Ihr Mund fühle sich an wie Schleifpapier, das Blut erstarre in den Adern, die Lippen klebten zusammen, die Muskeln seien hart wie Dörrfleisch. Ich tauchte in den Keller ab, holte die letzten Flaschen herauf und stellte sie vor die Stimmen der Rufer in der Wüste. Jetzt gab es kein Halten mehr. Wenn man sich zum Rutschen auf den Abhang gesetzt hatte, dann musste man sich halt immer weiter fallen lassen. Zusehen, wie es schief ging, davonrauschen, dass es um die Ohren pfiff. Ein oikea mies fürchtete weder Tod noch drei Tage Kater.
    Jetzt wurden auch Niila und Holgeri langsam breit. Erkki war am wenigsten anzumerken, obwohl er den höchsten Takt eingehalten hatte. Er diskutierte mit einem der jüngeren Jäger, der mit hängenden Augenlidern und Rotztropfen im Schnurrbart dasaß, über Lachsfliegen. Sie kamen überein, es an einer Stelle am Tärendo älv zu versuchen, denn nur wenige Dinge im Leben waren perfekter als eine frisch gefangene Äsche, gebraten über einem nächtlichen Lagerfeuer neben einem rauschenden norrländischen Fluss. Sie prosteten sich darauf zu und bekamen Tränen in den Augen. Wie schön doch der Sommer ist, so vollendet und ewig! Die Mittsommernachtssonne über dem Waldrand, leuchtend rote Nachtwolken. Vollständige Windstille. Die Wasseroberfläche spiegelblank, nicht eine Kräuselung. Ein plötzlicher Wasserkreisel, der sich langsam in der gewaltigen Stille verbreitet. Und dann, mitten im Schweigen, fällt ein Nachtfalter. Er landet mit dem Staub seiner Flügel auf der zähen Wasseroberfläche.
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