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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Autoren: Susannah Calahan
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Vorbemerkung der Autorin
    » Dass es ein Vergessen gibt, ist noch nicht bewiesen; was wir wissen, ist allein, dass die Wiedererinnerung nicht in unserer Macht steht. «
    Friedrich Nietzsche
    W egen der Art meiner Erkrankung und deren Auswirkungen auf mein Gehirn habe ich nur Erinnerungsfetzen an tatsächliche Ereignisse und an kurze, aber lebhafte Halluzinationen aus den Monaten, in denen diese Geschichte passiert ist. Der Großteil dieser Zeit ist ein weißer Fleck oder bleibt merkwürdig verschwommen. Nachdem ich physisch also nicht in der Lage bin, mir diese Zeit in Erinnerung zu rufen, war das Schreiben des vorliegenden Buches eine Übung, mit der ich begreifen wollte, was verloren gegangen ist. Unter Nutzung der Fähigkeiten, die ich als Journalistin gelernt habe, verwendete ich alle verfügbaren Quellen – Hunderte von Gesprächen mit Ärzten, Pflegern, Freunden und Familienmitgliedern; das Klinik-Notizbuch, das meine geschiedenen Eltern führten, um miteinander zu kommunizieren, Videoaufzeichnungen, die während meines Klinikaufenthalts von Klinikkameras von mir aufgenommen wurden, und Notizbücher über Notizbücher voll von Erinnerungen, Konsultationen und Eindrücken – die mir helfen sollten, diese sich mir entzogene Vergangenheit neu entstehen zu lassen. Einige Namen und typische Merkmale habe ich verändert, ansonsten entspricht dieses Werk vollkommen der Realität – eine Mischung aus Erinnerung und Reportage.
    Dennoch muss ich zugeben, dass ich selbst eine unzuverlässige Quelle bin. Egal wie viele Nachforschungen ich auch betrieben habe, das Bewusstsein, das mich als Person definiert, war dabei nicht vorhanden. Zudem bin ich befangen. Es geht um mein Leben, daher dreht sich diese Geschichte auch um das alte Problem des Journalismus, nur hundertmal chaotischer. Zweifellos gibt es Dinge, die ich missverstanden habe, Rätsel, die ich nie werde lösen können, und viele Augenblicke, die vergessen und unbeschrieben bleiben. Übrig geblieben ist die Recherche einer Journalistin über ihr tiefstes Inneres – Persönlichkeit, Erinnerung, Identität – bei dem Versuch, Vergessenes zusammenzutragen und zu verstehen.
Vorwort
    Z uerst ist da nur Dunkelheit und Stille.
    »Sind meine Augen offen? Hallo?«
    Ich kann gar nicht sagen, ob ich meinen Mund wirklich bewege oder ob überhaupt jemand da ist, den ich fragen kann. Es ist zu dunkel, um etwas zu sehen. Ich blinzle einmal, zweimal, dreimal. In meiner Magengrube empfinde ich eine dumpfe Vorahnung. Das immerhin erkenne ich. Meine Gedanken formen sich nur langsam zu Sprache, als würden die Worte aus einem Siruptopf auftauchen. Wort für Wort kommen die Fragen heraus: Wo bin ich? Warum juckt meine Kopfhaut? Wo sind sie alle? Dann rückt die Welt um mich herum langsam in mein Blickfeld, es beginnt mit einer Lochblende, deren Durchmesser langsam größer wird. Gegenstände tauchen aus der Dunkelheit auf und werden allmählich schärfer. Es dauert eine Zeit, dann erkenne ich sie: Fernseher, Vorhang, Bett.
    Sofort weiß ich, dass ich hier raus muss. Ich will mich aufrichten, aber etwas reißt mich zurück. Meine Finger berühren eine dicke Mesh-Weste um meine Taille, die mich im Bett hält wie eine – wie ist noch das Wort dafür? – wie eine Zwangsjacke. Die Weste ist an beiden Seiten mit zwei kalten Metallschienen verbunden. Ich greife mit den Händen um die Schienen und ziehe mich hoch, aber wieder schneiden die Gurte in meine Brust, geben nur wenige Zentimeter nach. Rechts neben mir ist ein geschlossenes Fenster, das zu einer Straße hin liegt. Autos, Yellow Cars 1 . Taxis. Ich bin in New York. Zu Hause.
    Bevor mich jedoch Erleichterung überkommt, sehe ich sie. Die lila Dame. Sie starrt mich an.
    »Hilfe!«, schreie ich. Ihr Ausdruck verändert sich kein bisschen, es ist, als hätte ich nichts gesagt. Ich drücke wieder gegen die Gurte.
    »Werden Sie wohl damit aufhören!«, sagt sie in einem leisen Singsang mit vertrautem jamaikanischen Akzent.
    »Sybil?« Aber das kann nicht sein. Sybil war meine Babysitterin, als ich noch ein Kind war. Ich habe sie seit meinen Kindertagen nicht mehr gesehen. Warum sollte sie beschlossen haben, heute wieder in mein Leben zu treten? »Sybil? Wo bin ich?«
    »Im Krankenhaus. Sie beruhigen sich besser wieder.« Es ist nicht Sybil.
    »Es tut weh.«
    Die lila Dame kommt näher, ihre Brüste streifen mein Gesicht, als sie sich über mich beugt, um die Fesseln zu lösen, erst rechts, dann links. Als meine Arme frei sind, hebe
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