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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Autoren: Susannah Calahan
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zueinander gesagt. Ich klappte den Laptop zu, ich war wütend, ohne genau sagen zu können, warum. Ich wusste, dass er nicht mehr mit ihr gesprochen hatte, seit wir uns trafen, und dass er nichts Unpassendes getan hatte. Aber ich fühlte mich nun gezwungen, woanders nach Anzeichen für einen Verrat zu suchen.
    Ich schlich mich zu seiner gelben Ikea-Kommode – und erstarrte. Was ist, wenn er Kameras laufen hat? Also nee. Wer bitte fertigt Videoaufzeichnungen seiner Wohnung an, während er außer Haus ist, abgesehen von übereifrigen Eltern, die einen neuen Babysitter ausspionieren wollen? Aber der Gedanke ließ sich nicht verscheuchen: Was ist, wenn er mich beobachtet? Wenn dies ein Test ist? Obgleich mich dieser mir unbekannte Verfolgungswahn erschreckte, hielt er mich nicht davon ab, die Schubladen aufzuziehen und seine Kleidung zu durchwühlen, sie auf den Boden zu werfen, bis ich den Haupttreffer gefunden hatte: eine Pappschachtel, die mit Aufklebern der Band dekoriert war und Hunderte von Briefen und Fotos enthielt, die meisten von Exfreundinnen. Es gab eine lange gerahmte Serie von Fotos aus einem Passfotoautomaten mit seiner letzten Exfreundin: Sie spitzten beide die Lippen, schauten sich sehnsüchtig an, lachten und küssten sich dann. Ich konnte es vor mir sehen, wie es passierte, wie das Daumenkino eines Kindes: Ich war Zeuge, wie sie sich verliebten. Als Nächstes kam ein Foto von demselben Mädchen in einem durchsichtigen Spitzen-BH, ihre Hände hatte sie auf ihre knochigen Hüften gelegt. Ihr Haar war blond gefärbt, aber es sah attraktiv aus, nicht nuttenhaft. Unter den Fotos lagen die Briefe, eine Handvoll handgeschriebener Mitteilungen, die zurückgingen bis in Stephens Zeit als Teenager. Ganz oben ergoss sich dieselbe Freundin in Äußerungen darüber, wie sehr sie ihn während ihres Aufenthalts in Frankreich vermisste. Sie schrieb das Wort »ihr« falsch und gebrauchte statt definitely (»bestimmt, deutlich, eindeutig, endgültig«) »defiantely« (»trotzig«, Anm. d. Red.) , was mich so erheiterte, dass ich in einer Art Gegacker laut auflachte.
    Als ich nach dem nächsten Brief griff, sah ich mich selbst im Spiegel des Kleiderschranks, ich trug nur einen BH und Unterwäsche und hatte Stephens vertrauliche Liebesbriefe zwischen meine Oberschenkel geklemmt. Mein Spiegelbild warf mir eine fremde Person zurück; mein Haar war verstrubbelt und mein Gesicht verzerrt und fremd. So etwas tue ich nie, dachte ich angeekelt. Was stimmt nicht mit mir? Noch nie in meinem Leben habe ich in den Sachen eines Freundes herumgeschnüffelt.
    Ich lief zum Bett und schaute auf mein Handy: Ich hatte zwei Stunden damit verbracht. Es kam mir vor wie fünf Minuten. Ein paar Augenblicke später kam die Migräne wieder, ebenso die Übelkeit. Da bemerkte ich zum ersten Mal, dass sich meine linke Hand seltsam anfühlte, ein Kribbeln und Stechen wie bei einer extrem eingeschlafenen Hand. Ich ballte meine Hand immer wieder zur Faust und öffnete sie, um das Kribbeln loszuwerden, aber es wurde nur noch schlimmer. Ich rannte zur Kommode, um die Sachen wieder zu verstauen – er sollte nicht merken, dass ich geschnüffelt hatte. Dabei versuchte ich, das unangenehme Kribbeln zu ignorieren. Bald jedoch wurde meine linke Hand völlig taub.

Kapitel 3
Carota
    D as Kribbeln, das viele Tage unvermindert anhielt, beunruhigte mich nicht annähernd so sehr wie das Schuldgefühl und die Fassungslosigkeit, die ich wegen meines Verhaltens in Stephens Schlafzimmer an diesem Sonntagvormittag empfand. Am nächsten Tag in der Arbeit bat ich die Kulturredakteurin Mackenzie um Hilfe, eine Freundin, die so überkorrekt ist wie eine Figur aus Mad Men .
    »Ich habe etwas wirklich Dummes gemacht«, gestand ich ihr außerhalb des News-Corp.-Gebäudes in einem schlecht sitzenden Wintermantel, während ich mich unter einen Vorsprung drückte. »Ich habe in Stephens Wohnung herumgeschnüffelt. Ich fand alle Fotos von seiner Exfreundin, habe mir das alles angeschaut. Ich war wie besessen.«
    Sie warf mir ein wissendes halbes Lächeln zu, während sie ihr Haar zurückwarf. »Das ist alles? Das ist doch nicht so schlimm.«
    »Mackenzie, das ist psychomäßig. Meinst du, meine Empfängnisverhütung verursacht hormonelle Veränderungen?« Ich hatte vor Kurzem begonnen, ein Hormonpflaster zu verwenden.
    »Ach, komm schon«, entgegnete sie. »Das machen doch alle Frauen, speziell in New York, Susannah. Wir sind Konkurrentinnen. Also im Ernst, sei nicht so hart mit
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