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Fatal Error

Titel: Fatal Error
Autoren: Michael Ridpath
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TEIL EINS
September 1999, Clerkenwell, London
    »Bist du fertig?«
    Guy lächelte mich an. Ein Lächeln, in dem sich Selbstvertrauen und Angst die Waage hielten. Das Selbstvertrauen war für alle erkennbar. Die Angst sah nur ich, weil ich seit siebzehn Jahren mit ihm befreundet war.
    Ich blickte mich in dem Raum um, dem großen Raum mit seinen weiß getünchten Ziegelmauern und blauen Rohren, mit den billigen Schreibtischen, auf denen kostspielige Computer standen, mit den Stühlen in Hellgrün und Lila, dem Tischfußball und dem Flipperautomaten, beide vernachlässigt und vergessen, und den Whiteboards, die mit Buchstaben und Zeichen bedeckt waren: Flussdiagrammen, Zeitplänen, Abläufen und überschrittenen Fristen. In dem Raum wimmelte es von jungen Männern und Frauen in T-Shirts und Cargohosen, die auf Tastaturen hämmerten, auf Bildschirme starrten, in Telefone sprachen, von Schreibtisch zu Schreibtisch eilten und so taten, als wäre es ein normaler Tag.
    Das war er nicht.
    Heute würde sich herausstellen, ob ninetyminutes.com, das Unternehmen, das Guy und ich erst fünf Monate zuvor gegründet hatten, eine Zukunft hatte.
    »Ich bin so weit.« Ich nahm die Unterlagen, die ich für die Vorstandssitzung brauchte. »Glaubst du, er lässt sich darauf ein?«
    »Klar«, sagte Guy. Er atmete tief durch, lächelte wieder, drückte die Angst weg, beschwor Selbstvertrauen herauf und mobilisierte seinen Charme. Guy hatte Charisma, und das brauchte er heute, auch für seinen Vater. Besonders für seinen Vater.
    Er war einunddreißig, nur ein paar Monate älter als ich, sah aber jünger aus. Sogar jungenhaft mit seinem kurzen blonden Haar, den hohen Wangenknochen, hellblauen Augen und dem beweglichen, fein geschnittenen Mund. Und er kleidete sich hip: weißes T-Shirt unter schwarzem Designeranzug. Doch da war noch etwas anderes. Eine gewisse Härte, die sich hinter seinem einnehmenden Äußeren verbarg. Ein Hauch von Gefahr, Unberechenbarkeit, ein Anflug von Grausamkeit vielleicht oder auch Melancholie. Schwer zu sagen, was es genau war oder wie es sich verriet, ob durch einen Ausdruck seiner Augen oder einen harten Zug um den Mund. Aber alle bemerkten es. Frauen, Männer, Kinder, soweit ich es beurteilen konnte. Das zog die Menschen an, veranlasste sie, ihm zu folgen.
    Das sorgte auch dafür, dass es ihm in der Regel gelang, seinen Willen durchzusetzen.
    Das Vorstandszimmer war ein Glaskasten am Ende des Großraumbüros. Am Tisch war Platz für zwölf Leute -acht zu viel für unseren Vorstand. Bei Ninetyminutes gab es nur vier Direktoren: Guy, den leitenden Direktor, mich, den Finanzdirektor, Guys Vater Tony Jourdan, den Vorstandsvorsitzenden, und den vierten im Bunde, Tonys Anwalt Patrick Hoyle.
    Zwar leiteten Guy und ich das Unternehmen, doch Tony hatte das meiste Geld aufgebracht und besaß achtzig Prozent der Anteile. Er hatte auch achtzig Prozent des
    Stimmrechts. Patrick war da, um immer, wenn notwendig, »Ja, Tony« zu sagen. Es gab noch weitere Aktionäre, alle Ninetyminutes-Mitarbeiter, einschließlich Guys Bruder, doch keiner von ihnen hatte einen Sitz im Vorstand. Ihre Interessen mussten Guy und ich vertreten.
    Es war unsere zweite Vorstandssitzung. Diese fanden immer am dritten Montag im Monat statt. Um daran teilzunehmen, flogen Tony und sein Anwalt von ihren Häusern an der französischen Riviera nach London. Es kristallisierte sich schon ein Schema heraus. Zunächst skizzierte Guy den Fortschritt des Unternehmens. Und der war gut. Erstaunlich gut. Im April hatten wir ninetyminutes.com mit dem Ziel gegründet, die führende Fußball-Website im Internet zu werden. Irgendwie war es uns gelungen, die Site einzurichten und sie ab Anfang August zu betreiben. Sie lieferte Kommentare, Klatsch, Analysen, Spielberichte und Statistiken über jeden Verein in der englischen Premier League. Die Aufnahme beim Publikum war gut und die Presseresonanz großartig gewesen. Nach unserem ersten vollständigen Monat online zählten wir 190000 Besucher, und die Zahlen kletterten Monat für Monat steil nach oben. Inzwischen hatten wir dreiundzwanzig Mitarbeiter und stellten ständig neue ein.
    Guy kam jetzt auf unsere Pläne für den Rest des Jahres zu sprechen. Mehr Autoren, mehr Spielberichte, mehr Kommentare. Zusammenarbeit mit einem Buchmacher, damit unsere Besucher auf Fußballergebnisse wetten konnten. Und die Einrichtung von E-Commerce. Auf der Website wollten wir Fanartikel der Nationalmannschaft und der Klubs verkaufen,
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