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Fatal Error

Titel: Fatal Error
Autoren: Michael Ridpath
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neben uns. Er rang nach Atem. Ich hob die Augenbrauen. Er trat ein paar Schritte zur Seite und sprach ins Funkgerät. Nach ein paar Sekunden suchte er meinen Blick und schüttelte unmerklich den Kopf.
    Ich blickte wieder auf Guy hinab. Er hatte Spedding nicht gesehen.
    »Er ist okay«, sagte ich. »Er kommt durch.«
    Guy lächelte. Oder versuchte zu lächeln. Er hustete. Noch mehr Blut. Noch einmal hustete er, dann regte er sich nicht mehr.
    Ingrid weinte stumm. Ich nahm sie in den Arm und hielt sie fest. Während ich zusah, wie die Sanitäter seinen Körper mit einem Tuch bedeckten und auf eine Trage hoben, wurde mir klar, dass ich Guy am Ende doch vertraut hatte.
    Und er hatte mich nicht im Stich gelassen.
November 2000, sechs Monate später, Mayfair, London
    Der sechsundzwanzigjährige Ex-Investmentbanker beendete seine PowerPoint-Präsentation mit einer platten Floskel, setzte sich und blickte uns erwartungsvoll an. Ich warf Cläre einen Blick zu. Das war der dritte WAP-Unternehmensplan, der uns in diesem Monat vorgestellt wurde, und bei weitem der schlechteste. Durch ein unmerkliches Zucken der rechten Augenbraue signalisierte sie mir, dass sie mit meinem Urteil übereinstimmte. Aus reiner Höflichkeit stellten wir dem Zwei-Mann-Team noch einige Fragen und warfen es dann hinaus.
    »So schlecht sind wir doch nie gewesen, oder?«, fragte ich Cläre, als wir wieder in das kleine Büro zurückkehrten, das wir uns teilten.
    Sie lachte. »Nicht ganz. Aber diese Typen waren noch Gold im Vergleich zu einigen der Zombies, die wir hier vor einem Jahr sitzen hatten.«
    Die Dot-Com-Seifenblase mochte geplatzt sein, aber der Weizen der Venture-Kapitalisten blühte wie eh und je. Ich war jetzt einer der ihren. Der Job gefiel mir: Endlich hatte ich eine Arbeit gefunden, bei der ich meine analytischen Fähigkeiten zum Einsatz bringen und hin und wieder auch ein Risiko eingehen konnte. Orchestra Ventures war ziemlich erfolgreich, nicht zuletzt durch eines von Henrys Geschäften, eine Kette von Kaffeebars, die von einem multinationalen Konzern für zehn Millionen Pfund gekauft
    worden war. So war Henry noch immer mein Partner. Es ist schon erstaunlich, was Venture-Kapitalisten einem Menschen, der ihnen Geld bringt, alles verzeihen können.
    Ich saß an meinem Schreibtisch und blickte auf meinen Computerbildschirm, in Gedanken bei der Präsentation, die wir einst bei Orchestra gehalten hatten. Ich ging ins Internet und gab www.ninetyminutes.com ein. Das altbekannte Blasen-Design erschien, obwohl in einer der Blasen jetzt stand: Die europäische Fußball-Site Nummer eins. Ich lächelte. Mit dem Geld von Champion Starsat, Gaz' Artikeln und Ingrids editorischen Fähigkeiten hatte Ninetyminutes alle Konkurrenz weggefegt. Gewiss, der Verkauf von Fanartikeln war fallen gelassen worden, und überall auf der Site waren unübersehbare Links zu Champion-Starsat-Diensten, trotzdem wäre Guy zufrieden gewesen. Ich war froh, dass es Madden gelungen war, Ingrid zum Bleiben zu überreden. Wir sahen uns häufig. Auch darüber war ich froh.
    Mels Prozess rückte näher. Eigentlich wollte ich nicht hingehen, nahm aber an, dass ich als Zeuge erscheinen müsste, was mir gar nicht lieb war. Mel hatte sich den größten Teil ihres erwachsenen Lebens schuldig gefühlt. Hoffendlich plädierte sie jetzt auf schuldig.
    Guy lag neben seinem Vater und seinem Bruder auf dem kleinen Dorffriedhof, aber mir schien, dass er sich zum Schluss doch noch von ihnen gelöst hatte. Die zweiunddreißig Jahre seines irdischen Daseins hatte er mit sich selbst im Krieg gelebt, um sich zu beweisen, dass er etwas aus seinem Leben machen konnte. Und das hatte er: Ich hatte es auf dem Bildschirm vor Augen. Zum hundertsten Mal seit seinem Tod überkam mich eine Welle der Traurigkeit.
    Dann hörte ich eine leise Stimme in meinem Ohr: »Mach weiter, Davo!«
    Ich lächelte in mich hinein. Mit zwei Mausklicks verließ ich die Ninetyminutes-Site. Und machte weiter.

DANKSAGUNG
    Alle Personen in diesem Buch sind frei erfunden. Die stürmische Gründerzeit der letzten Jahre, in denen neue Internet-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden schossen, ließ es fast aussichtslos erscheinen, den Namen eines Unternehmens zu finden, der einerseits plausibel und andererseits noch nicht besetzt war. Obwohl einige real existierende Unternehmen eine marginale Rolle in diesem Buch spielen, sind Ninetyminutes, Goaldigger, Babyloves, Lastrest, Sick As A Parrot, Orchestra Ventures, Bloomfield Weiss, Howles
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